Marc und Matze von Focus Bikes haben das Bohemian Border Bash 2021 in Angriff genommen – ein Ultra-Endurance Gravel-Rennen über das alte böhmische Grenzland: Insgesamt 1300 Kilometer und 24.000 Höhenmeter. Nun ist ein sehenswerter, einstündiger Film über ihr Abenteuer veröffentlicht worden. CLEAT-Chefredakteur Max Marquardt hat dies zum Anlass genommen, um mit Marc über seine Erfahrungen zur Erstaustragung des BBB zu sprechen.
Fotos: Nils Längner / Interview: Max Marquardt
CLEAT: Ultra-Endurance Veranstaltungen gibt es viele. Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf das BBB?
Marc: Es waren zwei Gründe: Wir haben mit Focus das BBB-Camp gesponsert, weil wir die ganze Idee und Atmosphäre dort ziemlich cool fanden. Das Rennen sind wir mitgefahren, weil dadurch nicht nur ein guter Kontakt zu dem Veranstalter stand, sondern auch, weil es interessant klang. Es war die erste Austragung davon und vom Atlas Mountain Race, bei dem ich auch beim Debut dabei war, habe ich diese Unvoreingenommenheit noch recht gut in Erinnerung. Man kann sich ja weder Videos ansehen noch Erfahrungsberichte im Vorfeld durchlesen – und das ist einfach total spannend.
Durch deine Erfahrungen, was solche Rennen betrifft, hast du natürlich Vergleichswerte. Wie gut war die ganze Sache organisiert?
Für uns, die weniger schnellen, war es echt gut organisiert (lacht). Es gab zwei oder drei Checkpoints mit Leuten vor Ort, was auch echt schön war. Für die, die wirklich schnell unterwegs waren, muss es wohl aber etwas schwieriger gewesen sein, weil Ondrej (der Veranstalter – Anm. d. Red.) nicht mehr hinterhergekommen ist, die Stempelkissen für die Checkpoint-Heftchen zu verteilen. Er hatte wohl einfach nicht damit gerechnet, dass die Ersten so schnell sind.
Wie viele Leute sind an den Start gegangen?
Weil das Event aufgrund von Corona und anderen Umständen damals verschoben werden musste, waren es am Ende gar nicht so viele. Es waren vielleicht 70 Fahrer oder so.
Sowohl Matze als auch du – und das sieht man im Film wirklich sehr schön – hattet zu unterschiedlichen Zeitpunkten ziemliche Tiefs. Was war die krasseste Herausforderung und Erfahrung auf der gesamten Tour?
Für Matze war es ja das erste Mal, dass er überhaupt sowas macht. Der ist eigentlich ein MTBler mit Herz und Seele. Mit Gravel oder Rennrad hat der prinzipiell gar nichts am Hut. Über den gesamten Winter hat er aber wirklich zielgerichtet und hart für die ganze Sache auf Zwift trainiert. Absoluter Respekt! Diese ganzen Begebenheiten des draußen Schlafens, des Hungerleidens, der langen Etappen – das war für uns beide aber schon ein ziemlicher Stressfaktor. Die externe Komponente, zusätzlich noch ein Film-Team dabei zu haben, die voll mit der Kamera draufhalten, wenn es dir mal nicht so gut geht, wenn du beschissen aussiehst und kein Bock mehr hast – das alles hat einen derartigen Druck auf uns ausgeübt, dass die Stimmung zeitweise einfach schwierig wurde.
Als MTBler wird er es wohl auch nicht gewöhnt gewesen sein, derart lange im Sattel zu sitzen, oder?
Definitiv. Ich glaube, all das aber auch zu erkennen, war die größte Herausforderung für uns. Wir haben dann irgendwann den Schalter umgelegt und uns gesagt: Scheiß drauf! Lass uns doch einfach Spass haben und keinen Stress mehr haben.
Der Film vermittelt stark den Eindruck, dass charakteristisch für die Landschaft eine Melange aus dunklen Wäldern, endlos langen, schnurgeraden Waldstraßen sind…
Genauso ist es auch. Besonders hart waren die ersten drei Tage. Kaum Abwechslung und dann auch noch diese beschissenen alten Panzerstraßen, bei denen du alle fünf Meter einen Schlag abbekommst. Mit dem Reifendruck kann man ja auch nur begrenzt nach unten gehen, wegen dem Gepäck und weil du ja auch vorankommen willst. Und dann fährst du durch diesen endlosen Wald und fährst und fährst und fährst und es hört einfach nicht auf. Das hat mich echt fertig gemacht. Alte Panzerstraßen verlaufen ja schnurgerade durch den Wald. Man kommt also irgendwo oben an einer Kuppe an, braust mit maximaler Kompression nach unten und dann geht der ganze Mist wieder von vorne los. Man schiebt dann einfach irgendwann, weil es sich überhaupt nicht lohnt, sich weiter zu verausgaben. Viel zu steil.
Und lass mich raten: Es sieht überall gleich aus…
Ja, also die Abwechslung, die du in den Bergen bekommst, zum Beispiel in den Alpen, wo man um eine Kurve fährt und dann diesen Aha-Effekt hat – das war sehr wenig vorhanden.
Ihr habt ja beide recht viel MTB-Erfahrung. Wo stießen die Gravelbikes an ihre Grenzen? Wo hättet ihr euch ein MTB gewünscht?
Tatsächlich nirgends. Es war alles wunderbar mit den Gravelbikes fahrbar.
Kommen wir zum Setup eurer Bikes zu sprechen. Um welche Räder hat es sich gehandelt?
Wir sind mit Focus Atlas Carbon Gravelbikes unterwegs gewesen. Das Rad wiegt im besten Spec ca. 8-9 Kilo. Das war in Anbetracht der Höhenmeter schon eine ganz gute Sache
Wie viel Kilo wogen euren Bikes inklusive der Zuladung?
Ich glaube wir sind so auf um die 20 Kilogramm gekommen.
Ihr hattet beide keine Satteltaschen am Rad, stattdessen an den hinteren Streben zwei Packsäcke. Warum?
Die Packtaschen waren an einem sogenannten „Adventure Rack“ befestigt, das ist eine Eigenentwicklung von Focus. Ziel ist es, dadurch der schwankenden Satteltasche entgegenzuwirken. Die Racks waren Teils des Produkttests.
Im Film scheint ihr über diese Konstruktion allerdings nicht so glücklich zu sein…
Es hat tatsächlich nachgegeben und ist dann gebrochen. Die Beanspruchung war einfach zu hoch. Man muss dazu aber auch sagen, dass wir es damit maßlos übertrieben haben. Kein normaler Mensch wird das Ding derart beanspruchen.
Was war das nützlichste und was das unsinnigste Utensil, das ihr mitgenommen habt?
Das unsinnigste waren definitiv Matzes Schlappen. So dermaßen unnötig. Er hat die kein einziges Mal angehabt (lacht). Ich bin mir nicht sicher, ob er auch eine dicke Jacke dabei hatte, aber falls ja, dann war die auch unnötig, weil Matze friert nicht (lacht). Und das nützlichste: Die Schere. Wir sind mit Textilspeichen gefahren und eine hat sich, nachdem sie gerissen war, in meiner Kassette verwickelt. Mit der Schere konnten wir den Schaden recht leicht beheben.
Während dem Rennen hat deine Luftmatratze ein Loch bekommen. Deshalb hast du super schlecht geschlafen, weil Kalt, unbequem etc. Weshalb hast du dich gegen eine faltbare Thermarest-Matte aus Noppenschaum entschieden?
Aus Platzgründen. Ich würde generell auf solche Unternehmungen nur aufblasbare Matten mitnehmen, einfach aus Platz- und Gewichtsgründen. Und was das Loch betrifft: Ich sag dir, ich habe mir jeden Tag aufs Neue geschworen, das Teil zu flicken. Aber am Abend denkst du dir einfach ‚ach komm, scheiß drauf‘. Und dann liegt man halt nachts wieder auf dem Boden und muss das Teil von neuem aufpumpen, damit man weitere zwei Stunden seine Ruhe hat.
Der ganze Film ist unglaublich gut produziert. Wie viel zusätzliche Zeit hat es gekostet, die ganzen Aufnahmen abzudrehen? Mal Hand aufs Herz: das lief ja nicht einfach so „nebenbei“…
Es ist alles absolut authentisch. Wir haben nichts wiederholt. Gar nichts! Es war ein Team von vier Leuten, zwei Kameramänner, ein Fotograf und einer, der das Wohnmobil gefahren ist. Das Team hatte unseren Live-Standort und sind uns gefolgt. Teilweise auch mit dem E-MTB. Das Team hat komplett autark gehandelt und uns höchstens mal ein paar Fragen gestellt. Mehr aber auch nicht.
Was war am Ende herausfordernder: Die HM oder die KM?
Die Höhenmeter! Auf jeden Fall! Es ist sooo krass. Wenn du dir das Höhenprofil der Gesamtstrecke ansiehst, dann sieht das aus wie ein weißes Rauschen (lacht). Du hast ein paar Mal einen echten Gipfel, aber ansonsten gibt es keine definierten Anstiege. Diese scheiß 24.000 Höhenmeter sind nie definiert. Es ist einfach nur ein hoch und runter. Du kommst in keinen Flow. Die kurzen geraden Stücke im Film sind eigentlich auch nur ein auf und ab.
Würdest du das Bohemian Border Bash in Anbetracht solcher Aussagen weiterempfehlen?
Absolut! Für jeden, der sich mal so richtig in die Fresse hauen will, ja! Ich fand es sogar anstrengender als das Atlas Mountain Race. Für den Körper und für den Kopf gleichermaßen.