Die Marke „Jack Pack“ aus Polen stellt kostengünstige und zugleich durchdachte Bikepacking-Taschen her. Doch was taugen die Dinger, wenn man sie nicht nur zur bloßen Schau ans Bike klettet sondern sie auch benutzt? Wir wollten es herausfinden und haben die Taschen von „Jack Pack“ einem Test unterzogen.
Text & Fotos: Max Marquardt
Wer Bikepacken gehen will, muss erstmal tief in den Geldbeutel greifen. Denn addiert man die Kosten der gesamten Ausrüstung, insbesondere der Taschen, kommt man sehr schnell in einen vierstelligen Bereich. Grenzenlose Freiheit hat also auch beim Radfahren seinen Preis. Dass dies aber nicht zwangsläufig der Fall sein muss, zeigt „Jack Pack“ aus Polen. Hierbei handelt es sich um einen Newcomer im Ausrüstungsbereich, der kostengünstige Bikepacking-Taschen herstellt. Damit aber nicht genug: Denn die ein oder andere Raffinesse könnte selbst den zotteligsten (und pingeligsten) Radreisenden überraschen. Doch der Reihe nach.
„Jack Pack“ wurde von Jacek gegründet, der bereits seit 2016 von den eigenen Taschen träumte. Doch weil er nicht mit einem guten Schneidergeschick gesegnet war, kreiste die Idee erstmal nur „im Reich seiner Fantasie“. „Das Thema keimte aber in meinem Kopf. Die Stunden, die ich auf meinem Arbeitsweg auf dem Rad verbrachte, halfen mir, meine Ideen zu perfektionieren und Lösungen zu finden“, sagt Jacek. „Die Idee wurde dann irgendwann zu einem richtigen Projekt.“ Inzwischen ist aus dem Projekt ein richtiger Job geworden und Jacek bietet 12 Hauptprodukte und jede Menge Accessoires auf der Webseite an.
Der herausragendste Aspekt: „Jack Pack“ unterbieten die Preise der Marktbegleiter um über ein Drittel, teilweise sogar um 50 Prozent. Umgerechnet 60 Euro kostet demnach eine Satteltasche; die Rahmentasche liegt bei knapp 40 Euro. Ein Vergleich: Ein Ortlieb Toptube Frame Pack liegt im Sale bei 93 Euro, eine Apidura Satteltasche kostet 140 Euro und ein 14L Saddle Bag von Restrap schlägt mit stolzen 156 Euro zu Buche.
Aber ist günstig auch per se gut? Wir wollten es herausfinden und haben uns mit einem kompletten Taschenset versorgt.
Lenkertasche
Mit 22,9 Zentimetern und gerade mal 1,3 Liter Fassungsvermögen ist die Jack Pack Lenkertasche nicht gerade ein Raumwunder. Dafür trumpft sie jedoch mit ein paar anderen Features auf. Denn der Reißverschluss des Hauptfachs ist nicht wie bei anderen Lenkertaschen mit dem Taschenrand vernäht, sondern komplett teilbar (wie bei einer Jacke). Durch zusätzliche Einsätze kann die Öffnung somit maximal erweitert werden, um leichter Gegenstände zu verstauen oder zu finden. Eine Lösung, die es in dieser Form wohl kein zweites Mal geben dürfe. Ein zusätzliche eingenähtes Innenfach ist für die Wertsachen vorgesehen, ein innenliegender Haken für das Anbringen eines Schlüssels oder anderem Firlefanz.
Die Duraflex Elasto-Lok-Schnellverschlussschnallen sorgen für eine schnelle und einfache Montage am Lenker. An den Seiten der Tasche befinden sich noch zusätzliche Mesh-Taschen für Riegel und sonstigen Kram. Extrem gut gelöst ist die Steuerrohrschlaufe: Diese besteht lediglich aus zwei übereinanderliegenden Bungee-Cords und verhindert dadurch die allseits bekannten Lackschäden. Eine gute Idee sind auch die Molle-Schlaufen auf der Frontseite der Tasche. Hier kann man nach Belieben von der Emaille-Tasse bis zum Frontlicht so gut wie alles befestigen
Im Test hielt die Tasche bombenfest am Rad. Die erweiterbare Öffnung wurde nur dann zum Problem, wenn man während der Fahrt etwas zu stark am Reißverschluss zog und somit das Frontfach komplett öffnete. In einem solchen Fall kommt man um ein Absteigen nicht mehr herum. Deshalb empfiehlt es sich, die Tasche während des Fahrens etwas sachter zu öffnen.
Satteltaschen
„Jack Pack“ bietet derzeit drei unterschiedliche Satteltaschen an. Eine große, mit 14 Litern, eine mittelgroße mit 9 Litern und eine kleine mit 4 Litern Fassungsvermögen. Vom Aufbau und Design sind die Taschen baugleich. Die Schnallen und Führungen sind von Duraflex und es befinden sich zahlreichen Befestigungsmöglichkeiten und Bungee-Cord zum Verstauen von Jacke, Racecap oder andere Dingen an den Außen- und Unterseiten.
Ein praktisches Detail sind die Molle-Schlaufen an der hinteren Oberseite der Tasche in Richtung Rolltop. Diese eignen sich ideal für das Anbringen eines Rücklichts. Man mag es kaum schreiben, aber das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Es gibt durchaus höherpreisige Taschen, die diese Eigenschaft nicht besitzen – warum auch immer.
Zum Straffen dienen verschiedene Riemenschlüsse und ein rotes Mittelband zur Stabilisierung. Leider ist die Auflagefläche auf der Sattelstützenseite nicht sonderlich breit, was vom Nutzer verlangt, die Tasche maximal smart zu packen. Tut er dies nicht, wedelt sie wie ein Fuchsschwanz umher. Eine Lösung wäre hier eine breitere Auflagefläche oder eine zweite Klettschlaufe.
Die Satteltasche besteht auch wie die anderen Taschen von „Jack Pack“ aus einem Cordura-Gewebe mit 300 Denier. Dies lässt die Bags manchmal etwas labbrig wirken. Dennoch verfügen die Taschen über eine hohe Wasserfestigkeit. Bei richtig starken Regen kann man den im Lieferumfang enthaltenen neongelben Überzug über die Tasche(n) ziehen. Dieser erhöht nicht nur die Sicherheit im Straßenverkehr, sondern garantiert auch einen maximalen Schmutz- und Regenschutz. Das ist zugegebenermaßen etwas ungewohnt, am Ende aber doch sehr praktikabel, da die Taschen nicht zur Unkenntlichkeit eindrecken.
Rahmentasche
Bis jetzt gibt es die klassische Rahmentasche von „Jack Pack“ nur in einer Größe: 42 Zentimeter Länge und ein Fassungsvermögen von 2,7 Litern. Bei den meisten sollte diese Größe aber völlig ausreichen. An einem 60er Rahmen sah das Ding allerdings ein wenig klein aus – aber wer zur Hölle fährt solche Räder schon? Auch bei diesem Teil hat sich Jacek ein paar richtig feine Details ausgedacht. An erster Stelle zu nennen sei hier die Steuerrohrhalterung, die wie bei der Lenkertasche nur aus einem Bungee-Cord besteht und somit keine hässlichen Scheuerstellen an eurem Rahmen verursacht.
Ebenfalls hat die Tasche an der Stirnseite eine verdeckte und somit von Nässe und Staub geschützte Kabelöse für das Durchfädeln eures Powerbankkabels oder eurer Kopfhörer.
Insgesamt sieben gummierte Befestigungspunkte fixieren die Tasche gut am Rahmen. Wer der Tasche zusätzliches Gepäck hinzufügen möchte, kann dies dank eines Kordelzugs an der Unterseite der Tasche tun. Eine ziemlich smarte Lösung, die wir in dieser Form so auch noch nicht gesehen haben.
Gut gelöst ist auch die Reißverschlussöffnung zum Hauptfach (es gibt beidseitig Öffnungen, die durch eine Innenwand abgetrennt sind). Hier gewähren uns zwei Reißverschlüsse genügend Flexibilität, das Hauptfach nur so weit öffnen zu können, wie es für uns gerade passt. Dadurch muss man nicht immer gleich die gesamte Tasche aufmachen, um an den gewünschten Gegenstand zu kommen.
An den Außenseiten befinden sich noch drei Mesh-Fächer, die wir jedoch als etwas klein empfunden haben. Aber der spitzfindige Rad-Abenteurer wird hier schon eine Lösung für finden.
Werkzeugtasche
Kleine Tasche fürs Oberrohr, in der man sämtliches Werkzeug und Flickzeug inklusive Ersatzschlauch (ja, es gibt auch noch Leute, die nicht Tubeless unterwegs sind) verstauen kann. Wir haben diese Tasche den prüfenden Blicken des Ultra-Distanz-Fahrers Norman Baum (u.a. Silk Road Mountain Race) unterzogen und sein Urteil fiel positiv aus.
Die Werkzeugtasche hat ein Fassungsvermögen von 0,45 Litern und besteht aus zwei Kammern mit drei soliden Halterungen. Eine Kiemenöffnung, die mit einer kleinen Kordel versehen ist, ermöglicht das Maximieren oder das Komprimieren der Tasche mit nur einem kleinen Zug. Soll heißen: Ist der Ersatzschlauch nicht mehr in der Tasche, kann diese auf eine kleinere Größe zusammengezurrt werden.
In den Innenseiten der Tasche befinden sich Befestigungsschlaufen und ein kleines Netzfach für – you name it!
Oberrohrtasche
Zu guter Letzt haben wir uns noch die Oberrohrtasche angesehen. Auch diese verfügt über eine Kabelöse an der Vorderseite. An der Bauchseite kann die Tasche mit zwei Gurten am Oberrohr fixiert werden. Für eine individuelle Einstellbarkeit gibt es aber insgesamt fünf Molleschlaufen, durch die man die Befestigungs-Straps fädeln kann.
Die beiden Kordelzüge für die Hauptfächer können dank einer kleinen Schlaufe fixiert werden, damit diese nicht im Fahrtwind flattern. Nice!
Weil Ordnung alles ist, sind im Hauptfach diverse Befestigungspunkte und Schlaufen angebracht, damit euer Zeug in ruppigem Gelände nicht lose in der Tasche rumfliegt.
Zwei laterale Flügel an der Vorderseite der Tasche sollen den Steuersatz umschließen und dadurch die Tasche besser fixieren. Denn die Oberrohrtasche von „Jack Pack“ hat keine Schraubfixierung. Mit 1 Liter Fassungsvermögen und 22×12 Zentimetern zählt die Tasche von den Maßen her schon zu den etwas größeren Toptube-Bags.
Zum Schutz vor Starkregen und anderen Unannehmlichkeiten sorgt eine im Lieferumfang enthaltene wasserdichte Abdeckung in neongelber Signalfarbe. Diese wird an vier außenliegenden Paracord-Ösen befestigt, damit sie nicht bei der Fahrt verlorengeht.
Das CLEAT-Fazit:
Bikepacking-Einsteiger werden mit den Taschen von „Jack Pack“ nicht nur eine kostengünstige, sondern vor allem durchdachte Alternative zu den bisher etablierten Marken finden. Doch auch für die Radreise-Veteranen unter uns sind die Teile einen Blick wert. Selten haben wir Produkte in den Händen gehalten, bei denen es dermaßen viel zu entdecken gibt, wie bei „Jack Pack“. Man merkt, dass sich Firmengründer Jacek bei jedem Kordelzug, jedem Reißverschluss, jeder Schlaufe ziemlich viele Gedanken gemacht hat. Diese Cleverness, aber auch die vielen Anpassungsmöglichkeiten, machen die „Jack Pack“ Bikepacking-Taschen zu einer tauglichen, verlässlichen und brauchbaren Bikepacking-Ausrüstung. Einzig und allein das 300 Denir Cordura wirkt manchmal etwas windig. Die Wasserfestigkeit kann durch die mitgelieferten neongelben Überzüge verstärkt werden. Dies ist durchaus ungewöhnlich; bei Schlechtwetter wird dadurch aber die Sichtbarkeit des Fahrers massiv verbessert. Besonders freut es uns aber, dass die Jackpacking-Bags eine klare Kampfansage an die Platzhirsche auf dem Markt sind. Denn sie beweisen eines ganz klar: Teuer, muss nicht gleichzeitig gut sein. Danke Jacek, für „Jack Pack“!
Mehr Infos zu Jack Pack: Offizielle Webseite