Das „Italy Divide“ zählt zu den spannendsten und fordernsten Ultra-Rennen in Europa. Von Pompeji verläuft die Route auf jeder Menge Gravel- und Mountainbike-Abschnitten bis zum Ufer des Gardasees. Jeff Webb, seines Zeichens CEO der norwegischen Radmarke „FARA“ hat sich letzten Sommer an dem Unsupported-Rennen versucht. Ein Härtetest für Mensch und Maschine.

Text: Max Marquardt / Fotos & Film: Sebastian Mamaj

Urlaub in Italien: Das ist besonders für uns Deutsche Adriastrand, Aperolo, Stau auf der A8 und ganz viel Dolce Vita unweit der eigenen Grenzen. Nach Italien fährt man, um den blassen Germanenwanst am Lago di Garda zu rösten oder in Südtirol ein paar Genusspässe mit dem Rennrad zu spulen. Ein Ultra-Bikepacking-Rennen mag da nicht so ganz ins Bild passen. Doch ein Blick auf die gesamte Strecke des „Italian Divide“ lässt die Vorbehalte schnell schwinden. Die Route verläuft über Neapel, die Circeo Halbinsel, Rom, über die berühmten Strade Bianche in der Toskana, Sienna, Florenz, Bologna, Mantova und Verona. Beim Klang dieser pittoresken Städte und Landschaften wirken die insgesamt 1250 Kilometer und über 22000 zu bewältigenden Höhenmeter gar nicht mehr „ultra“ wie sie tatsächlich sind.

„Ehrlich gesagt hatte ich mir geschworen, nie wieder ein Ultradistanzrennen zu bestreiten. Aber die Italy Divide bietet diese wunderbar herausfordernde Mischung aus Terrain – von schnellem Asphalt bis zu den weißen Straßen von Strade Bianchi und mit einem Hauch von technischem Trailriding“, so Jeff Webb von „FARA“. Alleine der Gedanke, von Pompeji im Süden zum Gardasee im Norden zu reisen sei ein spannendes Abenteuer für sich, so Webb. „Die Fahrt durch die historischen Städte Rom und Siena, Bologna und Verona trägt nur zur Attraktivität bei. Also habe ich mich nach und nach davon überzeugt, dass dies eine großartige Idee wäre.“

Doch bereits das Briefing am ersten Renntag in Pompeji, jener antiken Stadt am Golf von Neapel, lässt erahnen, dass die „großartige Idee“ mit jeder Menge Entbehrungen und Gefahren verknüpft ist. Ruppige Landstraßen, ausgesetzte Singletrails, grantige Wildschweine und verwinkelte Gassen mit rutschigem Kopfsteinpflaster. Und natürlich jede Menge Höhenmeter bis zum Ziel am Gardasee.

Um entsprechend für dieses Abenteuer gerüstet zu sein, entschied sich Webb logischerweise für ein Rad aus der eigenen Manufaktur, dem „Fara F/Gravel“. „Mit einem recht niedrigen Einstieg und einer weiten Reifenbreite bietet das Bike ein geschmeidiges Fahren auf allen erdenklichen Untergründen“, so Webb. Vor allem das integrierte Bikepacking-System, mit dem ich die Taschen in Sekundenschnelle vom Rahmen lösen kann, sorgen für eine perfekte Balance aus Komfort und Performance.“

Nach dem Start in Pompeji soll der Vesuv eines der ersten schweren Etappenziele sein. Mit einem steilen Anstieg und feinkörnigem Vulkanstaub, der sich in Kette, Schaltung und Lunge festsetzt, kämpfen sich die Fahrer bis über den Gipfel um danach eine wohlverdiente rasante Abfahrt zu genießen.

Da er plant, die Nacht durchzufahren, verlangsamt die herausfordernde Natur der Etappen Jeffs Fortschritt unweigerlich. Erschwerend hinzu kommen Müdigkeit und Erschöpfung – Aspekte, mit denen wohl jeder Ultra-Radfahrer zu kämpfen hat.

In Rom macht Jeff nur eine kurze Fotopause vor dem Kolosseum, bevor es weiter durch die Region Latium, nördlich von Rom geht. Nach einem zweiten Tag und 36 Stunden nonstop in die Pedale treten, ruht er sich für eine kurzen Zwischenstopp in einem Gästehaus aus. Zwei große Pizzen später und mit gewaschener und ausgewrungener Ausrüstung zieht er sich für drei Stunden dringend benötigten Schlafs ins Bett zurück. Danach soll es weitergehen – in die Toskana gehen.

„Ich war um 4:00 Uhr Morgens auf den Beinen, völlig im Eimer. Aber die ersten Sonnenstrahlen halfen mir, die Schwere in meinen Beinen für einen Moment zu vergessen“, so Webb. Vor ihm liegen nun die berühmten weißen Strade Bianchi und die sanften Hügel der Toskana. Nach einer Stärkung mit Kaffee und Dolci, geht es wieder gnadenlos weiter – Hügel rauf und Hügel runter. Auch die Tagestemperaturen sind inzwischen brütend heiß. Das karge Gelände bietet wenig Zuflucht vor der sengenden Sonne. Nordwärts, egal was ist. Immer weiter.

Im Gegensatz zur Tageshitze erweisen sich die Nächte als kühl und angenehm. „Nachts schließt sich alles zusammen – dein einziger Bezugspunkt ist der schmale Lichtkegel, der sich über dein Vorderrad hinaus erstreckt“, so Webb. „Andere Sinne sind jedoch seltsam geschärft. Das Knirschen von Reifen auf Kies oder der süßliche Duft von Kiefern liegt in der Luft. Außerhalb deiner nur verschwommenen empfundenen Vorwärtsbewegung scheint die Zeit stillzustehen. Besonders dann, wenn man an geschlossenen Cafés mit heruntergelassenen Fensterläden vorbeifährt. Stille und Einsamkeit. An einem solchen Ort habe ich mit drei anderen Teilnehmern ein paar Stunden verbracht um auszuruhen. Und als das Café dann um 06.00 Uhr öffnete, hatte ich den vielleicht besten Cappuccino, den ich jemals trinken durfte.“

Am vierten Tag macht Jeff gute Fortschritte und kann seine gute Position in der oberen Hälfte des 200-köpfigen Feldes halten. Bei einem weiteren Anstieg bemerkt er jedoch ein leichtes Stechen in seinem Knie. Kurz darauf fällt es ihm schwer, weiter in die Pedale zu treten. Doch eine 200 Kilometer lange schnurgerade Strecke ohne Steigung zwischen Bologna und Verona ermutigt ihn, weiterzumachen. Eine Entscheidung, die wenige Stunden später seinen Tribut zollt.

„Zu diesem Zeitpunkt tat mein Knie so weh, dass ich mein Tempo nicht mehr halten konnte“, sagt Webb. Er versucht ein paar Stunden zu schlafen. „Nach ein paar Ibuprofen kam ich wieder in Schwung – allerdings für gerade mal eine halbe Stunde. Dann kehrten die Schmerzen zurück.“ Am Ende entscheidet sich Webb schweren Herzens aufzugeben. Eine Entscheidung, die emotional werden lässt.

„Es machte einfach keinen Sinn mehr, meinen Körper weiter zu bestrafen. Ich wusste, dass vor mir ein paar echt üble Bike&Hike-Abschnitte lagen, teilweise mit über 3.500 Höhenmetern. Das kannst du in so einem Zustand vergessen. Es war schlichtweg alternativlos“, sagt Webb.

„Natürlich bin ich enttäuscht“, resümiert Webb, „aber das ist halt bei solchen Unternehmungen so.“ Als nächstes plant er, seine Heimat Kanada mit dem Rad zu durchqueren. Dieses mal hoffentlich ohne Knieprobleme. Doch trotz der Enttäuschung über den Abbruch des Italy Divide, bleibt die Erfahrung und die Erinnerung an großartige Landschaften und viele aufregende Stunden im Sattel. Es ist eine Hommage an die Freiheit. Webb: „Bei Fara geht es uns stets um die Freiheit, sich fortzubewegen – jede Straße und jeden Weg als ein Abenteuer zu sehen, das nur darauf wartet, bestritten zu werden.“

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