Im Corona-Jahr haben viele Deutsche die Alpen als Urlaubsziel wiederentdeckt. Doch welche Auswirkungen hat der Touristenandrang auf die Bergregionen? Ein Liftbetreiber, ein Hüttenwirt und ein Mitarbeiter der Bergwacht erzählen von ihrer Arbeit.

Fotos & Text: Fabian Dosch, Moritz Wigger, Nazariy Ketsyk

Ein Samstagmorgen in Berchtesgaden in Oberbayern. Es schüttet wie aus Kübeln. Doch die vielen Touristen, die in diesem Jahr ihren Sommerurlaub zwischen Watzmann und Königssee verbringen, schreckt das miserable Wetter ebenso wenig von ihrem Urlaub ab, wie die Abstandsregelungen und das Tragen eines Mundschutzes.

Während Spanien und Kroatien weitgehend zum Risikogebiet erklärt worden sind und viele Urlauber deshalb fernbleiben, boomt der Tourismus in den Bergen wie nie zuvor. „Es ist durchaus zu spüren, dass die aktuelle Situation, die bereits seit Jahren sehr hohe Nachfrage nach Urlaub in Berchtesgaden gesteigert hat“, so Ursula Wischgold von der Berchtesgadener Land Tourismus GmbH. Eine Kehrtwende. Denn noch während des Lockdowns war daran nicht zu denken. So konnte auch die Jennerbahn in Schönau am Königssee, eine der ältesten und beliebtesten Seilbahnen der Region, ihren Betrieb erst wieder am 30. Mai aufnehmen. Ein wirtschaftliches Fiasko. „Darunter litten in erster Linie die bewirtschafteten Hütten am Jenner“, sagt der Liftbetreiber Franz Moderegger.

Eine dieser Hütten ist das Dr. Hugo-Beck-Haus von Patrick Walser. Für den Hüttenwirt war der Lockdown eine sehr schwierige Zeit. „Ab Mitte März haben wir zusperren müssen“, so Walser. „Vom einen auf den anderen Tag war es dann vorbei.“ Doch statt in Selbstmitleid zu versinken, krempelte der Wirt die Ärmel hoch und nutzte die Zeit für Renovierungsarbeiten. Inzwischen ist das Dr. Hugo-Beck-Haus wieder gut besucht. Besonders Touristen kehren hier ein, um ein kühles Radler zu trinken oder sich einen Kaiserschmarren als Belohnung für den Aufstieg zu gönnen. Den Bedienungen sieht man die Freude über jeden Besuch, trotz Maske, in ihren leuchtenden Augen an. Für die anstehende Skisaison müsse das jetzige Konzept allerdings umgestaltet werden, da die Terrasse weniger genutzt werden könne und innen strengere Abstandsregeln gelten, so Walser. Doch der Wirt bleibt optimistisch und freut sich über den aktuellen Zulauf: „Der Tourismus in Berchtesgaden boomt seit Jahren, aber dieses Jahr ist es das Sahnehäubchen“.

Bild oben: Hüttenwirt Walser: Trotz der Krise optimistisch.

Etwas weniger euphorisch ist die Stimmung bei der Bergwacht in Bad Reichenhall. Denn knapp 1.000 Höhenmeter über dem Dr. Hugo- Beck-Haus, am Gipfel des Jenners, sieht man neben Bergsteigern und Wanderern auch zahlreiche Touristen, die den anspruchsvollen Aufstieg in Turnschuhen gewagt haben. Marcus Goebel von der Bergwacht betrachtet dies mit Sorge: „Der Ansturm von Touristen in den bayerischen Alpen führt auch bei den Bergwachten zu mehr Einsätzen.“

Bergretter Goebel: „Die bayerischen Alpen sind kein Abenteuerspielplatz“

Die Gründe hierfür seien fehlendes Bewusstsein für die Gefahren im Gebirge, mangelndes Schuhwerk, sowie eine falsche Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. „Die bayerischen Alpen sind kein Abenteuerspielplatz“, mahnt Goebel. Auch hätten viele Touristen eine falsche Erwartung von der Bergrettung. Vom normalen Rettungsdienst seien die Leute gewohnt, dass innerhalb von 15 Minuten Hilfe vor Ort sei. In den Bergen sei dies aber kaum möglich. Erschwerend hinzu kommen die für die Bergwacht äußerst strengen Hygienemaßnahmen. Wie genau die Tourismus-Situation im Winter aussieht, kann derzeit niemand vorhersagen. Denn so unvorhersehbar wie das Wetter in den Alpen, ist derzeit auch der weitere Verlauf der Pandemie.