Im Juli 2021 haben sich acht abenteuerlustige Bikepacker aus Deutschland und Serbien zusammengeschlossen, um mit Sack, Pack und Rad die monumentalen Gebirgslandschaften West-Serbiens zu durchqueren. Dabei dokumentierten sie ihre Reise und beeindrucken nun mit jeder Menge starkem Foto- und Filmmaterial. Unter dem Namen „Serbia Upside Down“ wollen sie jetzt ihr Land mit einer eigenen Event-Serie promoten – und bieten in diesem Jahr ein eine eigene Veranstaltung an.

Text: Max Marquardt / Reisebericht: Predrag Spasojevic / Fotos: Katarina Novaković

In die Ferne schweifen, und darin das Vertraute finden. So, oder so ähnlich könnte man das Unterfangen „Serbia Upside Down“ wohl am treffendsten beschreiben. „Von all den Menschen die wir bisher getroffen haben, waren die wenigsten bisher in Serbien – und die wenigsten haben überhaupt eine Ahnung davon, wie es hier wirklich ist“, sagt Pedja, einer der Initiatoren von „Serbia Upside Down“. „Die serbische Kultur, ihre Werte und Menschen sind besonders. Den einzigartigen Vibe den man in großen Städten wie der Hauptstadt Belgrad entdecken kann, findet man auch auf den entlegensten Schotterwegen wieder. Als würde man auf einer Ader fahren, die direkt zum Herzen führt.“ Vor allem aber, so Pedja, sei Serbien aufgrund seiner Landschaft, den schroffen Bergketten, lieblichen Tälern und malerischen Dörfern eine spannende Destination, die noch nicht von Touristenströmen und Trendreisen überlaufen ist. Auch dies sei der Grund gewesen, etwas mehr zu tun als „nur“ schöne Fotos zu schießen und einen Film zu drehen, der dem geneigten Radtouristen die ex-jugoslawische Region schmackhaft machen soll.

„Serbia Upside Down“ versteht sich als eine Gemeinschaft für Adventure Cycling, die ein authentisches Bild Serbiens vermitteln soll. Im Juli 2022 will man deshalb ein Gravel-Basecamp mit geführten Touren anbieten (mehr Infos gibt es hier). „Wir haben uns immer wieder gefragt: Warum zur Hölle hat bisher noch kaum jemand dieses geile Land besucht? Und was können wir, als radfahrende Individualisten, die zudem auch noch ein bisschen Ahnung von der digitalen Welt haben, tun, um dies zu ändern“, sagt Pedja.

Doch wie stellt man dies am besten ohne die Unterstützung durch Reiseorganisationen, NGOs, Massenmedien, Ministerien, Tourismusverbänden und – natürlich – dem nötigen Kleingeld an? „Mit der einen Sache, die uns alle zusammenbringt: Der Freunde am Radfahren und am Draußen sein“, erzählt Pedja. „Wir haben unsere besten Freunde aus Deutschland nach Serbien eingeladen, um dort zusammen Rad zu fahren und dabei noch eine Dokumentation darüber zu machen, wie schön es in Serbien genau für solche Aktivitäten ist. Lasst uns Serbien auf den Kopf stellen und der Welt davon erzählen!“

Vorbereitung ist alles

„Das Ziel: Fünf Tage Bikepacken in West-Serbien, 500 Kilometer und 11000 Höhenmeter. Klingt machbar. Doch der Wetterbericht warnte uns schon eine Woche vor dem Tourstart vor schweren Regenfällen und heftigen Gewittern. Eines war klar: Wir würden in jedem Fall nass werden.

Dem Montag widmeten wir dem Packen der Ausrüstung und der Abreise aus Belgrad. Keine leichte Aufgabe, da wir acht Bikes, Campingausrüstung, Lebensmittel, Ersatzteile und Kamera-Equipment verladen mussten. Obwohl ein gewisses Maß an Vorbereitung und Logistik dahintersteckte, war unsere Unternehmung ein ziemlich nomadisches Abenteuer: Schließlich würden wir permanent unterwegs sein und jede Nacht woanders schlafen – entweder in Zelten oder in Berghütten.

Am Vorabend vor dem Start trafen wir uns auf der Berghütte von Pedjas Großeltern, die einem von der Zivilisation völlig abgeschiedenen Dorf mit nur 30 Einwohnern lag. Ein idealer Ort, damit sich Serben und Deutsche besser kennenlernen und auch um ein paar heroische Bikepacking-Geschichten auszutauschen. Wir saßen am Feuer, tranken regionales Bier und diskutierten darüber, was uns in den kommenden Tagen erwarten würde. Alles schien unsicher, vor allem aber, ob 40mm Pneus und unsere gewählten Übersetzungen den Trip packen würden.“

Tag 1: Valjevo – Tara

“Am ersten Tag wurden wir mit Regen, Nebel und niedrigen Temperaturen begrüßt. Nach einem traditionellen serbischen Frühstück (salziger Käse, regionaler Jogurt und selbstgemachte Marmelade) begannen schon die üblichen Bike- und Equipment-Check-Rituale. Die nächsten 10 Stunden würden wir auf dem Rad verbringen und die Nervosität über diese Tatsache war allen ins Gesicht geschrieben. Nach 15 Kilometern erreichten wir den Rovni-Damm und nahmen im Anschluss den Debelo Brdo Pass in Angriff, was übersetzt in etwa sowas wie „fetter Hügel“ bedeutet. Ab jetzt begann es auch zu regnen, was die ganze Sache noch etwas würziger gestaltete.

So sehr wir es auch versuchten, aber irgendwie gelang es uns während des Anstiegs nicht, in der Gruppe zu bleiben. Jeder Fahrer reagierte auf die durchschnittlichen sieben Steigungsprozente anders und manch einer war von der drohend donnernden Wolkenkulisse derart eingeschüchtert, dass er mit Vollgas bis zum Scheitelpunkt nach oben strampelte. Am dortigen Aussichtspunkt ließ sich endlich wieder die Sonne blicken: Ein guter Zeitpunkt für ein Erinnerungsfoto. Der Ausblick von dort oben beeindruckte uns alle, ganz besonders aber unsere deutschen Freunde.

Es folge eine lange Schotterabfahrt durch Wälder und kleine Dörfer, danach erreichten wir unseren ersten Halt für eine Pause: Am Haus unseres Freundes Vladimir, das direkt an der Drina liegt. Als wir von den Rädern stiegen, begrüßte er uns gleich mit Rakia, einem serbischen Moonshine, sowie ein paar serbischen Köstlichkeiten aus dem Steinofen.

Nach einem erquickenden Bad in der eiskalten Drina, einem kurzen Nickerchen in der Hängematte und diversen Espressi Doppio später, waren wir wieder fit für den Rest der Etappe.

Ab Kilometer 80 begannen wir den Gravel-Anstieg zum Gipfel des Tara, der auf 1.055 Metern über dem Meeresspiegel liegt. Das Teil ist nicht nur verdammt steil, sondern leider auch verdammt lang. Und so mussten wir kurz vor dem Gipfelsieg immer mal wieder vom Rad steigen und schieben. Nach schier endlosen 12 Kilometern Anstieg erreichten wir endlich Vidikovac Osluša / Osluša, den Gipfel mitsamt Aussichtspunkt. Ein erhabenes Gefühl, das durch die grandiose Aussicht nur noch mehr verstärkt wurde.

Mit dem Einbruch der Dunkelheit wurde es jedoch auch ziemlich kalt und bei der Abfahrt sank das Quecksilber auf Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Alle waren heilfroh, endlich im Nachtlager am Zaovine-See anzukommen und müde aber glücklich in ihre Schlafsäcke zu kriechen.

Tag 2: Tara – Zlatibor

Am nächsten Morgen wurden wir von herrlich warmen Sonnenstrahlen geweckt. Bei ein paar Tassen guten Kaffees und interessanten Gesprächen mit der supernetten Familie unserer Unterkunft am Zaovine-See, machten wir uns an die Routenplanung für die bevorstehende Etappe. Unsere Gastgeber zeigten uns ein paar alte Bücher über den Tara und gaben und die Empfehlung, unsere geplante Komoot-Route leicht anzupassen. Ein Rat, der uns schon sehr bald lieb und teuer sein würde.

Nachdem wir aufgesattelt hatten begleiteten uns die ersten 20 Kilometer die 12 und 15 Jahre alten Söhne unserer Gastfamilie. Für uns mal wieder ein Beweis dafür, dass jeder Bikepackien oder Graveln kann, egal wie alt, welches Geschlecht, Können oder auf welchem Bike man sitzt. Einfach eine gute positive Grundeinstellung – Fahren um des Fahren Willens.


Kurz nach dem Zaovine-See begannen am Fuße des Tara die ersten Aufstiege. Steile Gravelpassagen, die, je höher man kam, in felsige Mountainbike Singletrails avancierten. Für alle Beteiligten durchaus eine Herausforderung. Nach einer kurzen Pause ging es weiter und wir tauchten in eine unglaublich sanfte und zugleich wilde Landschaft ein, die man nur schwer beschreiben kann. Im Sonnenlicht wirkten die goldenen Grashügel mythisch. Es fühlte sich geradezu so an, als würde man auf einem endlosen goldenen Teppich dahingleiten, stets die warme Sonne auf der Haut und der leichte Fahrtwind im Gesicht.

Nach 20 weiteren Kilometern (und zwei Platten) in dieser atemberaubenden Landschaft, kamen wir an unserem Etappenziel an: Die Tornik Mountain Lodge sollte für diese Nacht unser Zuhause sein. Direkt am Fuße des Zlatibor gelegen– ein Berg, dessen Name übersetzt so viel wie „Goldener Pinienberg“ heißt – bot sie uns eine gute Unterkunft mit jeder Menge serbischen Spezialitäten.

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