Es gibt wohl kaum ein Kleidungsstück, über das unter Radfahrern mehr diskutiert wird: die Bib-Short. Die richtige zu finden, ist eine Philosophie: Welche Marken haben das beste, komfortabelste oder langlebigste Produkt? Was sollte man beim Kauf beachten? Und ja, wir wissen es, beim Thema Trägerhosen für Mädels scheint sich der Markt noch im Neolithikum zu befinden. In unserer Interview-Serie sprechen wir mit Experten der namhaftesten Marken und tauchen ein in die Welt der Paddings, Nähte und Stoffe. Dabei gehen wir den Fragen nach wie sich die verschiedenen Modelle voneinander unterscheiden, was sich in den letzten Jahren in der Forschung und Entwicklung getan hat und wann man sich von seiner alten Bib trennen sollte.
Cleat: Hi Amy, du bist selbst begeisterte Radsportlerin und kennst daher das Problem: Viele Sportler tragen ihre Bibs bis sie ihnen förmlich vom Körper fallen. Wann sollte man sich von seiner Bib trennen?
Das ist tatsächlich schwer zu sagen. Bibs sind eine sehr individuelle Sache, denn sie hängen stark vom Körpergewicht und Körpergröße ab, des Typs des Sattels und der Art und Weise wie man fährt. Die Liste ist schier endlos und es wäre unmöglich zu prognostizieren, wann eine Bib reif für die Tonne ist und wann nicht. Man kann es mit alten Laufschuhen oder Autoreifen vergleichen – die Langlebigkeit des Produkts kommt immer ganz auf den Verbraucher und den Einsatz an. Ich persönlich halte es so, dass ich meine Bibs dann austausche, wenn ich merke, dass das Padding durchgesessen ist, oder schlichtweg der Stoff dünner oder heller wird. Es ist aber tatsächlich auch eine Sache des eigenen Gefühls. Es gibt da jetzt keine Formel, die besagt, dass man die Bib nach einem Jahr tauschen sollte. Bibs haben eine ziemlich lange Lebenszeit, zumindest wenn es sich um gute Produkte handelt. Das Beste was man meiner Meinung nach tun kann ist, die alten Shorts nicht gleich wegzuwerfen, sondern sich eine Alternative für sie zu überlegen. Ich nehme meine alten Bibs zum Beispiel für das Rollentraining her. Man muss nicht immer gleich alles wegwerfen.
Was kann man tun, um die Lebensdauer der Trägerhose zu verlängern?
Vor allem sollte man sie nach wirklich jeder Fahrt, egal wie kurz sie auch war, gründlich auswaschen. Andernfalls können sich sowohl im Stoff als auch im Padding Schweiß und Bakterien absetzen. Das ist nicht nur unhygienisch, sondern es verkürzt auch die Lebensdauer der Bib.
Worauf achtest du bei deinen Bib-Short besonders?
Qualität, Komfort und Passform – das sind die drei für mich wichtigsten Parameter.
„Die Pad-Welt ist wirklich wild, aber das auch aus einem guten Grund!“
Amy über die Entwicklung der Sitzpolster bei Bibs.
Wir haben selbst schon mal die Labore von GORE besucht und es war wirklich beeindruckend zu sehen, wie intensiv sich das Unternehmen mit der Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet auseinandersetzt. Auf was wird hier besonders großen Wert gelegt?
Bei GORE Wear veröffentlichen wir nichts, was nicht vorher von unseren Athleten getestet wurde und deren volle Zustimmung erfahren hat. Wir beziehen das Feedback der Athleten und die Lösung ihrer Probleme in die Idee der Trägerhosen mit ein. Außerdem sind sie bei jedem Entwicklungsschritt dabei. Wir arbeiten auch sehr eng mit unseren Stofflieferanten zusammen, um Stoffe so zu entwickeln, wie wir es wollen. Dabei nutzen wir deren Fachwissen aus der Industrie, um bei Versuchen das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Doch es gibt auch maschinelle Test, oder?
Definitiv. Die Expertise der Athleten ist uns sehr wichtig, dennoch führen wir natürlich auch interne Stofftests durch, um sicherzustellen, dass wir ein Qualitätsniveau haben, auf das wir stolz sein können und das kontinuierlich funktioniert. Quasi von Kilometer 1 über 10 bis 100 und darüber hinaus. Im Entwicklungsprozess einer neuen Trägerhose wählen wir in der Regel zunächst mehrere Materialien aus, die unsere Labortestanforderungen in Bezug auf Langlebigkeit und Leistung bestehen. Die endgültige Entscheidung, welches Material es in das Endprodukt schafft, hängt dann aber stark von den Feldtests und dem Feedback der Athleten ab
Was hat sich in den letzten zwei Dekaden beim Thema Bibs so alles getan?
Die gesamte Technologie hat sich im Laufe der letzten Jahre erheblich weiterentwickelt. Es gibt inzwischen nahtlose Gummizüge, Silikonstreifen an den Innenseiten oder eine höhere Dichte von Strick- oder Webmaterial bei geringerem Gewicht. Bei uns ist es eine ständige Weiterentwicklung der Kompetenz, wie neue Technologien am besten angewendet werden, um das Fahrerlebnis des Athleten zu verbessern. Es ist kein Vergleich mehr zu früher. Auch die Polsterung hat sich von einem einfachen, einlagigen Schaumstoff, der Unisex war, zu einem vielfältigen Angebot an Geometrien und Formen für Männer und Frauen in verschiedenen Dichten, Verbundstoffen und Konstruktionen entwickelt. Die Pad-Welt ist wirklich wild, aber das auch aus einem guten Grund! Das Padding ist die wichtigste Verbindung zwischen Fahrer und Fahrrad. Es ist ein Bereich, der höchst sensibel ist. Wenn hier etwas nicht gut sitzt oder funktioniert, ist die ganze Ausfahrt ruiniert.
„Alles, was beim Anprobieren irritierend oder unpassend erscheint, wird durch das Sitzen im Sattel verstärkt“
Worauf sollte man beim Kauf einer Trägerhose achten? Vor allem Anfänger sind hier oft ziemlich ratlos.
Am wichtigsten ist vor allem die richtige Größe. Man muss sich stets in der Bib wohlfühlen. Alles, was beim Anprobieren irritierend oder unpassend erscheint, wird durch das Sitzen im Sattel verstärkt. Die Platzierung des Pads ist dabei natürlich sehr wichtig. Während der Bewegung muss es unbedingt an Ort und Stelle bleiben. Wenn sich beim Fahren die Sitzpolsterposition verändert, dann passt die Trägerhose nicht. Außerdem sollten die Träger und die Beinabschlüsse vor einem Kauf genauestens inspiziert werden. Denn auch sie müssen nach Stunden im Sattel immer noch Komfort bieten sein. Wenn die Silikonstreifen einen roten Abdruck an der Haut hinterlassen oder die Nähte zu eng anliegen (rote Druckstellen), ist die Bib nicht die richtige. Besonders bei längeren Ausfahrten neigen unsere Beine dazu, anzuschwellen. Das ist durch die Blutzirkulation nur logisch. Alles, was in einer solchen Situation einschneidet, sich eng anfühlt oder enger wird, ist schlecht. Übrigens auch deshalb, weil es die Leistungsfähigkeit herabsetzt. Und dann wäre da noch der Aspekt der Beinlänge: Wenn die Beine zu kurz sind und sich die Abschlüsse in der Kniekehle befinden, dann sollte man zu einer kürzeren oder engeren Hose tendieren. Die Wahl der richtigen Bib ist zeitintensiv und nicht ganz leicht. Aber es lohnt sich, diese Zeit zu investieren. Denn wenn man erst auf dem Rad sitzt, ist es zu spät für Experimente. Im Idealfall wird die Trägerhose zum Teil des Fahrrads, ohne irgendwelche störenden Faktoren.