Liebe Leser,

Abschalten! Daran haben wir in der CLEAT-Redaktion dieser Tage oft gedacht. Bei dem medialen Dauerfeuer ist das auch kein Wunder. Während in der Ukraine weiterhin der Krieg tobt, stimmt die deutsche Politik zum kollektiven Frieren im kommenden Winter ein – und Lesen soll man künftig nur noch bei Kerzenschein. Für uns Radaffine werden also die Zwift-Sessions der kommenden Off-Season im Dunkeln stattfinden– ohne Zwift (wir sollen ja Energie sparen), aber dafür vielleicht mit ein paar guten Songs im Ohr. Und davon haben wir bei CLEAT ja glücklicherweise einige (hier geht´s zu unseren Trainings-Playlists). Alternativ kann man auch draußen fahren, Wind und Wetter zum Trotz. Das härtet ab, besonders weil man danach wohl auch kalt duschen darf. Seht es mal so: die ganze Chose ist kein Bug, sondern ein Feature! Lasst euch also nicht kirre machen und dankt unserer lieben Regierung: So günstig werdet ihr nie wieder an ein Trainingscamp kommen. Wir erwarten von euch also im Sommer 2023 mindestens eine Bestplatzierung beim Atlas Mountain Race. Iron Man ist auch noch okay.

Training im Dunkeln: Kein Bug, sondern ein Feature“

Zum Abschalten war letztens auch der Besenwagen-Podcast #179. Was war denn da los? Wer sich über eine Stunde lang durch die unendlichen „Ähs“ und schwerverdaulichen Transfer-Themen gequält hat, für den gab es gegen Ende der Sendung als Belohnung eine  Diskussion über den Windschatten von Begleitfahrzeugen, insbesondere Motorrädern, während der Tour de France. Die These: Jakob Fuglsang hatte sich nach der 8. Etappe darüber beschwert, dass die Franzosen Julian Alaphilippe und Thibaut Pinot bei ihrer Attacke von einem Motorrad unterstützt worden seien. „Als es über die Kuppe ging, fuhr dicht vor ihnen für ein paar Sekunden ein Motorrad. Wir hatten keines. In einer solchen Situation kann ein wenig Windschatten ein entscheidender Vorteil sein“, so Fuglsang. Zudem, so wurde im Podcast fabuliert, würden manche Motorradfahrer, die dem ein oder anderen Rennfahrer zugeneigt seien, absichtlich Windschatten geben – und damit zu Siegen verhelfen. Na Donnerwetter!

Sind die Begleitmotorräder das neue Doping? / CREDIT: Getty Images

Die Technische Universität Eindhoven stellte in diesem Zusammenhang eine Studie vor, in der genau diese Windschatten-Situationen per Computersimulation und im Windkanal untersucht wurden. Das Ergebnis: Bei einer Geschwindigkeit von 54 km/h und einem halben Meter Abstand zu einem ebenso schnell oder schneller fahrenden Motorrad kann ein Radfahrer die Kraft des Gegenwindes um bis 71 Prozent minimieren. Bleibt dieser Abstand über eine Minute lang erhalten, kann er durch die damit erreichte erhöhte Geschwindigkeit bis zu 29,3 Sekunden Zeit einsparen. Bei zweieinhalb Metern Abstand besteht der Gewinn noch 14 Sekunden pro Minute, bei zehn Metern fünf Sekunden. Bis auf 50 Meter Abstand wurde ein Vorteil nachgewiesen, er betrug 1,4 Sekunden.

Was jedoch im Podcast verschwiegen wurde:

In einem Renn-Szenario sind derartige Umstände eher unrealistisch. Motorrad und Radprofi müssten sich mindestens eine Minute lang parallel im selben Abstand bewegen. So heißt es in der Studie weiter.

Nicht zum Abschalten waren hingegen eure Reaktionen auf unsere Rezension zu der Ulle-Dokumentation „Being Jan Ullrich“! In dem Artikel ging es um die kritische Auseinandersetzung mit dem in fast allen Medien gehypten Fünfteiler, der das Leben und den Werdegang Jan Ullrichs, sowie seinen tragischen Absturz nach der Karriere aufzeigen soll. Von Lob bis Kritik war alles dabei – zu unserer großen Freude immer konstruktiv und wertvoll für eine Debatte. An dieser Stelle schon mal unser Dank – wir haben wirklich die besten Leser! So schrieb uns Karsten B. hierzu: „Letztlich haben sie (die Regisseure – Anm. d. Red.) es aber geschafft, aufzuzeigen, wie grausam damals der Umgang mit Jan und den anderen war – und dass es keinen Sinn mehr macht, auf diese Leute zu zeigen. Allein die Tatsache, dass sich die einstigen Rivalen (Lance und Jan) von damals nun in den schwersten Stunden beistehen, ist eine wahnsinnig tolle Botschaft.“

Johanna B. konnte zwar viele Kritikpunkte nachvollziehen, fühlte sich mit der Dokumentation dennoch gut abgeholt: „Ich habe eine leichte und kurzweilige Zusammenfassung über den Rennradsport von damals und den Mythos Jan Ullrich bekommen … Ich glaube, für die breite Masse passt die Dokumentation ganz gut.“

Alles in allem ist das Echo also auch in der Radszene zum Groß positiv. Meinungen sind ja bekanntlich verschieden und nur weil wir uns bei CLEAT an nerdigen Kameraeinstellungen, Schnitten und schlechten Interview-Fragen aufhängen, muss das nicht bedeuten, dass „Being Jan Ullrich“ sein Ziel gänzlich verfehlt hat.

So, wir schalten nun wirklich ab und gehen eine Runde Radfahren – ihr habt es euch nach der Lektüre dieser Zeilen ebenfalls redlich verdient. Also lasst mal Handy und Navi daheim und bewegt ein bisschen die Beine. Trackt mal nicht auf Strava und zerstreut dafür eure Gedanken im Fahrtwind. Wir sehen uns dann wieder hier – oder irgendwo da draußen, auf den Straßen, den Wäldern, in den Bergen.

In diesem Sinne: Kette rechts!

Euer Max

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