In Zeiten von explodierenden Spritpreisen, schier unendlich langen Staus und steigendem Umweltbewusstsein, ist die Idee, auf den eigenen zwei Rädern in den (Rad-)Urlaub zu verreisen, gar nicht so bescheuert, wie sie zunächst klingen mag. Der Plan: Mit Bikepacking-Taschen zur Wunschdestination, im Hotel einchecken, ein paar Tage die Gegend erkunden und dann wieder mit Sack und Pack zurück in die Heimat. Wir haben es ausprobiert.
von Max Marquardt / Fotos: Tobias Reiter, Max Marquardt, Bachmair-Weissach
Es gibt allerlei Arten von Rad-Urlauben, die wiederum allesamt ihre Höhen und Tiefen haben. Man kann die Rennräder ins Auto schmeißen, gen Süden brausen und irgendwo die Pässe rauf und runter brettern, mit seinen Monster-Energy trinkenden MTB-Kumpels in Finale einen Trail nach dem andern abhaken, oder eine Woche lang als Bikepacker ungeduscht lauwarme Campingnahrung löffeln. Alles schön, alles legitim! Aber warum nicht einfach mal mit dem Rad in den Radurlaub fahren? In unserem Fall: das Rennrad – weil schneller als das Gravelbike. So zumindest in der Theorie.
Für unseren Test suchten wir uns ein Hotel am Tegernsee aus, dass von unserem Startpunkt weniger als 100 Kilometer entfernt war. Eine längere Distanz wäre locker ebenfalls möglich gewesen, aber fürs Erste sollte ein Ausflug in die Nachbarschaft reichen. Um der Prämisse eines echten Urlaubs gerecht zu werden, stand der Genuss und Komfort im Vordergrund. Schließlich kann man auch Sportler sein und es sich dennoch gut gehen lassen. Daher fiel die Wahl auf das Bachmair-Weissach, einem feinen Etablissement, in dem man nicht nur fürstlich schlafen und speisen kann, sondern dass auch mit einem vorzüglichen Spa-Bereich aufwartet. Ausserdem arbeitet dort ein guter Freund des Magazins, somit hatten wir einen weiteren Grund. Ziel sollte es ein, dort 1-2 Tage zu bleiben. Tagsüber Rennrad-Touren in das beliebte Valepp und die Bayrischen Voralpen, abends Entspannen in der Sauna. Gutes Essen, guter Wein – Radler-Herz was willst du mehr?
Warum das Rennrad?
Natürlich hätte man auch das Gravelbike nehmen können. Doch im Gegensatz dazu, ist das Bike leichter, schneller und bei einer nicht allzu extrem sportlichen Sitzposition tatsächlich auch relativ bequem. Zudem kann man darauf einiges an Strecke machen. Der Nachteil: Die Montage- und Aufnahmemöglichkeiten von Taschen sind sehr limitiert.
In viele Rennradrahmen bekommt man nur mit Mühe eine Rahmentasche gequetscht und auch bei der Lenkertasche sollte man auf etwas schmaleres zurückgreifen, da die Dropbars von Gravel- und Bikepacking-Rädern meist breiter sind und deren Unterlenker schräg nach Außen ausfallen.
Ich packe meinen Koffer…
Die wichtigste Frage: Was nehme ich auf meine Reise mit? Hier ist der Aufenthalt in einem guten Hotel durchaus vom Vorteil, dann man muss lediglich Kleidung mitnehmen, die man beim Abendessen trägt. Da man im Idealfall ohnehin den ganzen Tag über auf dem Rad sitzt, entfällt legere Tageskleidung. Als Rad- und Freizeitjacke wählten wir daher eine stylische Radjacke, in diesem Fall die Explore Lightweight Jacket von Rapha, da man diese ideal mit „normaler“ Kleidung kombinieren kann, ohne wie der letzte Goofy auszusehen. Ausserdem hatten uns Rapha netterweise ein Paket an Testmaterial zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön, wie ihr seht, wurden wir aufgrund der Radklamotten nicht aus dem Hotel geschmissen.
Weil man bei einer Fahrradreise wie dieser nicht draußen schlafen muss, oder auf das eigens mitgeschleppte Essen angewiesen ist, entfiel einiges an Gewicht und schaffte dadurch Platz für Dinge wie die Badehose oder ein paar Schlappen für den Spa-Bereich. Die Welt, sie geht eben vornehm zu Grunde…
Hinfahrt, Rundfahrt, Heimfahrt
Mit dem ganzen Gepäck wog das Rad am Ende circa 12 Kilo, was für ein „Bikepacking“-Unterfangen tatsächlich unglaublich leicht ist. Das schwerste Element waren die Schuhe, der Rest ist nicht erwähnenswert. Die Geschwindigkeit, mit der man voran kommt, ist tatsächlich eine schier neue Dimension im Vergleich zum herkömmlichen Bikepacken. So fuhren wir die knappen 100 Kilometer bis ins Hotel problemlos mit einem 27er Schnitt durch. Dort angekommen, bezogen wir unser Zimmer, nahmen die Taschen vom Rad und genossen noch eine schnelle 30km Runde zur Umgebungserkundung.
Nach einem vorzüglichen Abendessen und einer ausgedehnten Sauna-Session ging es früh ins Bett, um am nächsten Tag die Valepp-Runde und ein paar Runden in Richtung Süden zu fahren. Da die Beine vom Vortag keineswegs schwer oder müde waren (schließlich ist man beim klassischen Bikepacken anderes gewohnt), ging es flott und fröhlich durch die Bayerischen Voralpen. Herrlich!
Am Abend dann wieder dasselbe Programm: Sauna, Abendessen und weil es der letzte Tag des Kurzurlaubs war, noch ein paar Drinks an der Bar. Natürlich ist man durch das geringe Packvolumen auf nur wenige Kleidungsstücke angewiesen, was die modischen Kombinationsmöglichkeiten begrenzt (wer darauf Wert legt). So erkannte man trotz halbwegs schicker Abendgarderobe stets ein paar sportliche Nuancen an uns. Wie bereits erwähnt: Alles gut, solange man nicht unbedingt mit einer neongelben Regenjacke im Restaurant sitzt.
Die Heimfahrt am nächsten Tag gestaltete sich ebenso angenehm leichtbeinig wie die Hinfahrt. Für einen Wochenende-Trip oder einen Kurzurlaub können wir diese Art des Verreisens in den Urlaub absolut empfehlen. Mal vom Hotel abgesehen, geht es kaum umweltfreundlicher und emissionsfreier. Zudem hatte man auch nie das seltsame Gefühl, mit dem Auto zum Radfahren zu fahren. Sicherlich ist diese Form des Urlaubs mit Sicherheit nicht Jedermanns-Sache und auch nicht immer zu 100 Prozent praktikabel. Ziele, die mehr als 200 Kilometer entfernt liegen, sind zwar auf diese Art des Reisens stemmbar, allerdings sollte man sich dann definitiv zwei Ruhetage einplanen. Urlaub ist ja schließlich auch Erholungszeit.
Das CLEAT Pro- und Contra:
+ schneller und leichter am Ziel
+ kein klassisches Bikepacken mit klammen Gear und Astronautennahrung
+ emissionsfrei und somit 100 Prozent umweltfreundliches Reisen
+ Genuss durch Reduktion, klappt tatsächlich
+ keine Staus
+ kostengünstig, gesund und man kommt schon fit und fröhlich am Reiseziel an (und nicht wie sonst, gestresst und müde)
-Wenig Platz am Rad
-Längere Distanzen sind möglich, aber mit logistischen Schwierigkeiten verbunden
-Hemdträger sollten sich im Vorfeld im Hotel nach einem Bügeleisen informieren
-Man ist theoretisch nur auf asphaltierte Straßen angewiesen