Liebe Leser,

ich bin ein großer Fan von kleinen coolen Shops, von Rad-Communities fernab dieser elendigen Vereinsmeierei und von Orten, an denen sich die Rad-Szene trifft. Diese Dinge sind in den letzten Jahren weniger geworden. Im Grunde genommen sind sie allmählich verschwunden und man findet heute kaum noch irgendwelche coolen, unpolitischen (!) und ideologiefreien Bike-Kitchen, in denen der Rennradfahrer zusammen mit dem MTBler und dem Fahrradkurier ein Feierabendbier nuckeln. In denen es nur um eine Sache geht, und zwar der mit den zwei Rädern. Auch sind die kleinen besonderen Bikeshops immer mehr am schwinden. Läden, in denen man vielleicht nicht immer die besten Preise hatte, aber die das ein oder andere Blinke-Teil für den eigenen Boliden feilboten, auf das man von selbst im Netz nie gekommen wäre. Doch war früher wirklich alles besser? Oder waren unsere Ansprüche damals nur geringer?

Die Welt hat sich verändert. Wir haben uns verändert. Und unser Konsumverhalten…oh Junge, das ist inzwischen gänzlich anders. Wer all diese Sachen jetzt so schmerzlich vermisst und darüber lamentiert, das KONA pleite sind und der Local-Bike-Dealer jetzt ein ROSE-Flagshipstore mit Autohaus-Vibes ist, für den kommt hier mal ein Reality-Check: Die meisten Leute, die ein neues Bike brauchen, wollen es JETZT. Ist es beim Händler nicht verfügbar – Internet! Und jetzt soll sich bitte jeder mal selbst an die Nase fassen und ganz ehrlich sein. Ich mach den Anfang: Mein letztes Bike wäre beim Dealer erst in acht Monaten verfügbar gewesen. In ACHT! Ich habe es dann über einen schwindeligen Online-Anbieter für 20 Euro weniger gekauft und es war innerhalb von einer Woche da. BAM!

Noch ein Beispiel: Die meisten Leute, die einen Defekt am Rad haben, wollen die Reparatur sofort – schließlich ist am Samstag Pässe ballern oder Trails shredden angesagt. Wer kennt´s nicht. Der Local Dealer, dessen einziger Mechaniker (meistens ist es auch gleichzeitig der Inhaber der Bude) maximal überlastet und gestresst ist, sagt, dass das „erst in 10 Tagen was wird“ – „wenn überhaupt, weil..“ man sehe sich all die Aufträge an. Was passiert also? Man schleppt das Rad zum nächstbesten Megastore, bekommt einen Termin und das Rad steht im Idealfall noch am selben Tag an der Kasse. Wer mir jetzt mit Seele, Community und all dem Firlefanz längst vergangener Zeiten kommt, hat scheinbar die letzten Jahre in einem Kellerschacht verbracht.

Ja, es ist schade. Ja, es wäre bestimmt toll wenn es sowas wieder gäbe. Aber es wird niemals wieder so sein, wie es mal gewesen ist. Und das soll jetzt kein Defätismus sein. Denn es liegt an uns. An jedem einzelnen von uns. Wer einen coolen Treff mit geilen Bikes haben will, soll einen eigenen Laden aufmachen…oder Hangaround werden. Oder man macht Community-Arbeit, gründet einen Rad-Club, näht sich eine Kutte und gibt sich ein krasses Street-Cedibility Pseudonym – you name it! Wer schneller sein Rad repariert haben will, muss sich auf seinen Hosenboden setzen, Tutorials glotzen und sich gutes Werkzeug kaufen. So einfach ist das eben. Das rettet nun zwar keine Traditionsbuden wie KONA, das ist aber vielleicht auch gar nicht so wichtig. Radfahren ist und bleibt immer das, was man selbst draus macht. Und auch wenn man Nostalgiker ist, gilt es zu reflektieren, was man eigentlich wirklich will: Kuscheln oder Kneten.

Euer

Max & CLEAT-Redaktion

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