Der Mjølkevegen und der Rallarvegen gelten als Norwegens schönste Radrouten. Sie führen über Gebirgspässe zu majestätischen Fjorden, über Schotterstraßen, die sich durch sommerliche Viehweiden schlängeln und durch weite Täler mit wilden Bächen.  Der Brite Matt Bark hat die epische Tour zusammen mit seiner Freundin Georgie gemacht. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Fotos: Matt Bark / Interview Max Marquardt

Ursprünglich wurde die Mjølkevegen-Radroute in den frühen 2000er Jahren von einem Radreiseveranstalter entwickelt, der heute „Discover Norway“ heißt. In den 2010er Jahren erkannte die örtliche Tourismusagentur „Visit Valdres“ das Potenzial und begann, gemeinsam mit den örtlichen Tourismusunternehmen an der Weiterentwicklung der Route zu arbeiten, einschließlich Beschilderung, Informationstafeln und Branding.

Nachdem man als Bikepacker das Ende des Mjølkevegen erreicht hat, schließt die Route an die Bahnlinie Bergen-Oslo (die Bergensbanen) entlang des Hallingdals an. Nach dem Hallingdal folgt die Rallarvegen-Route. Die Bergensbanen-Eisenbahn wurde in den späten 1800er Jahren konzipiert, um die beiden größten Städte Norwegens, Bergen und Oslo (damals Kristiania genannt), zu verbinden. In den frühen 1900er Jahren wurde eine Schotterpiste gebaut, um den Bau der Bahn dort zu erleichtern, wo es noch kein lokales Straßennetz gab.

Die Tour ist 383 Kilometer lang und hat eine Gesamtsteigung von 7282 Höhenmetern.

CLEAT: Hallo Matt, danke für deine Zeit! Du hast kürzlich den Mjølkevegen und den Rallarvegen in Norwegen befahren. Beide Strecken werden regelmäßig als „Norwegens schönste Radwege“ angepriesen. Was hat dich auf diesem Bikepacking-Trip am meisten beeindruckt?

Matt: Die Qualität und Länge der Schotterstraßen sowie die beeindruckende Landschaft, durch die sie führen. Bei uns zu Hause sind die Schotterwege in der Regel kurze Strecken, vielleicht 1-2 Kilometer lang, gefolgt von asphaltierten Abschnitten, die sie miteinander verbinden. In Norwegen zogen sich die Schotterpisten über viele, viele Kilometer durch Wälder und weites Weideland. Die Oberfläche der Wege war oft so gut verdichtet, dass man sich fast wie auf einer Asphaltstraße fühlte, nur dass es eben keine Auto-Verkehr gab. Die Aussichten auf den Anstiegen waren ebenfalls fantastisch! Wenn wir auf dem Slettefjellvegen anhielten, um uns über die Schulter zu schauen, oder auf dem Rallarvegen die schneebedeckten Berge sahen, war das eine der spektakulärsten Landschaften, in der ich je mit dem Rad unterwegs gewesen bin.

Du hast auf Bikepacking.com geschrieben, dass diese Reise „ein lang gehegter Wunsch“ von dir war. Was fasziniert dich so am Bikepacking / Radfahren in Norwegen?

Vor langer Zeit habe ich gelesen, dass die Bahnstrecke von Bergen nach Oslo eine der schönsten in Europa (vielleicht sogar der Welt) ist. Also beschloss ich, mir selbst ein Bild davon zu machen. Auch hatte ich die Idee, eines Tages mit dem Fahrrad hinzufahren und dann mit dem Zug zurückzufahren. Ursprünglich hatte ich gehofft, dies 2021 zu tun, weil ich da eine längere Auszeit von der Arbeit hätte. Aber leider konnte ich Norwegen wegen der immer noch bestehenden Covid-Reisebeschränkungen nicht besuchen (stattdessen bin ich zwei Monate lang mit dem Rad durch Schottland gefahren). In diesem Jahr fassten wir endlich den Entschluss, die Reise anzutreten, und begannen mit der Ausarbeitung einer Route, die in Oslo beginnen und in Bergen enden sollte. Ich fand die Rallarvegen-Tour online; Georgie die Mjølkevegen. Wir buchten die Züge und verbanden das Ganze mit einigen Touren auf der Straße durch die Fjorde. Eines der einfachsten Dinge beim Bikepacking in Norwegen, ist die Einstellung zum wilden Campen. Aufgrund des Jedermann-Rechts ist es quasi fast überall legal. Für Bikepacker bedeutet dies, dass es viel einfacher ist, einen Platz zum Übernachten zu finden. Das macht die Vorbereitung einer längeren Tour viel einfacher, da man seine Tage/Route entspannter planen kann.

Welche Etappe war die anstrengendste? Beitostølen nach Vaset?

Sicherlich war der Abschnitt von Beitostølen nach Vaset ein großer Tag mit zwei großen Anstiegen und heißen Temperaturen am Morgen. Aber die Aussicht an den Anstiegen und die regelmäßigen Stopps für Fotos, Snacks und den Bau eines kleinen Schneemanns ließen uns die Schwierigkeiten ein wenig vergessen. Der erste Tag war auch ziemlich anstrengend. Wir hatten den Vormittag damit verbracht, Oslo zu erkunden, und unser Zug kam erst um 18 Uhr in Vinstra an. Dadurch ging es für uns erst sehr spät los und wir hatten 27 Kilometer Steigung vor uns…

Was ist dein ultimativer Tipp für alle, die diese Strecke fahren wollen?

Nehmt euch die Zeit, auch mal nicht Radzufahren! Wir waren im Olstappen-See schwimmen, haben gemütlich Kaffee getrunken und auf dem Fjord bei Flåm Paddelboards gemietet. Deshalb empfehle ich bis zu 7 Tage für die Route, damit man Zeit hat, die Gegend zu genießen.

Lass uns über deine Ausrüstung sprechen: Welches Bike hast du benutzt und warum?

Ich habe mein Fairlight Secan benutzt, das gleiche Rad, das ich für alle meine Bikepacking-Touren verwende. Es ist ein wunderschön gearbeiteter Stahlrahmen und daher sehr komfortabel, und durch die großen (700×47) Teravail-Reifen muss ich mir kaum Gedanken über den Straßenbelag machen. Ich fahre mit einer Shimano GRX600 2×11 Schaltung mit einem kleinsten Gang von 30×34. Das ist genial, weil ich dadurch das schwere Fahrrad über steile Anstiege mit Leichtigkeit bewegen kann. Das Bike ist sehr komfortabel für längere Touren und ich fahre selten in technischem Gelände, das ein MTB erfordert. Ich bin damit auf einer 2-monatigen Tour durch Schottland gefahren, auf einer 12-tägigen Tour durch die Toskana, auf einer 5-tägigen Last-Minute-Tour durch Sardinien und auf vielen kleineren Touren durch Großbritannien. (Mehr über Matts Bike könnt ihr hier lesen).

Und die Taschen?

Als Haupttasche hatte ich ein frühes Entwicklungsmodell des Duffel X 20 von Luke, einem der Macher von Jack The Rack (auf dem die Tasche steht). Die Tasche befindet sich derzeit noch in der Entwicklung, aber Luke hofft, sie im Januar auf den Markt bringen zu können. Besucht mal DuffelX oder duffelx.com. Ich habe auch eine maßgeschneiderte Rahmentasche von Prickly Gorse und eine Oberrohrtasche von Camel Chops. Die Gabel- und Hecktaschen sind alle von Alpkit.

Georgie ist mit ihrem Sonder Camino Al gefahren. Es besteht aus einem Rahmen, den ich günstig bei eBay gefunden habe, einer Shimano GRX400 Gruppe und verschiedenen Teilen, die ich bereits in der Garage hatte. Es rollt auf 700×45 Schwalbe G-One Bite Reifen, hat 2×10 Gänge mit dem gleichen 30×34 niedrigen Gang und hat auch eine schöne Farbe! Ihre Taschen sind von Alpkit und Restrap.

Was ist das Wichtigste, das man für das Bikepacking in Norwegen einpacken sollte? Eine Regenjacke?

Unsere Regenjacken und -hosen waren auf jeden Fall wichtig, vor allem in der zweiten Woche, als das Wetter viel nasser wurde, je näher wir der Küste kamen. Wir haben tatsächlich vergessen, unsere Schuhüberzieher einzupacken, und hatten daher an vielen Tagen sehr nasse Füße. Eine Schlafmaske ist auch wichtig: Denn im Juli ist es in Norwegen nachts sehr hell.

Wir sind wirklich beeindruckt von deinen hervorragenden Bildern. Welche Kamera hast du in Norwegen benutzt?

Ich verwende derzeit eine Sony a6500 (ein weiteres eBay-Schnäppchen) zusammen mit einem Tamron 28-200mm f2.8-5.6 Objektiv. Ich liebe dieses Setup, da es einen guten Kompromiss zwischen dem Gewicht für den Transport auf dem Bike, der Bildqualität und der Möglichkeit zum Heranzoomen darstellt. Zuvor hatte ich ein 35-mm-Objektiv mit Lichtstärke 1,8, das zwar eine gute Leistung hat, aber mit dem man nicht weit entfernte Motive erreichen kann. Davor hatte ich eine Sony RX100 Mk III, eine großartige kleine Kamera, die leicht in eine Tasche oder einen Rucksack passt, perfekt für das Bikepacking. Aber einfach nicht die gleiche Leistung wie die a6500.

Du hast ein Auge für den richtigen Fokus und Moment. Ist die Fotografie für dich „nur“ ein Hobby?

Ja, es ist nur ein Hobby. Beruflich mache ich etwas ganz anderes. Ich bin eigentlich Kontrollingenieur, der in einer Zuckerfabrik programmiert. Als ich mit dem Bikepacking angefangen habe, verbrachte ich viel Zeit damit, mir die tollen Fotos auf bikepacking.com anzuschauen und verliebte mich in die hochwertigen Bilder. Das inspiriert mich auch heute noch, und die fotografische Dokumentation einer Reise gehört für mich einfach mit dazu. Ich nehme meine Kamera auch gerne mit, wenn ich anderen Aktivitäten nachgehe, vor allem beim Snowboarden, denn die leuchtenden Farben der Kleidung und der Kontrast zum Schnee sorgen immer für tolle Bilder (Mehr Fotos? Hier geht es zu Matts Instagram-Account).

Wer Bikepacken geht und lange Tage im Sattel verbringt, kennt das Problem: Zum Fotografieren hat man hat oft nicht viel Zeit, von der Geduld ganz zu schweigen. Es ist ja auch ein gewisser Aufwand damit verbungen: Anhalten, Kamera auspacken, alles einstellen, den Bildausschnitt überprüfen… Wie bist du mit diesem Problem umgegangen? Vor allem, wenn die Landschaft so beeindruckend ist, dass man am liebsten nach jeder Kurve anhalten will um Fotos zu schießen….

Ich trage meine Kamera nah am Körper, mit einem Evoc Hip Pack Pro 3l. Dadurch habe ich die Kamera immer griffbereit. Viele der Fotos sind Schnappschüsse: schnell anhalten und ein eine Momentaufnahme schießen, dann geht es weiter. Ich mache eine Menge Bilder und wähle dann später die besten aus. Aber ich denke auch, dass die Zeit, die man sich nimmt, um ein Foto zu machen, mit dem langsameren Tempo des Bikepackings und des Gravelbikens im Vergleich zum Fahren auf der Straße Hand in Hand geht. Oftmals verzeiht mir der Kontext des Fotos mit der atemberaubenden Landschaft sehr viel und macht meine Defizite im kreativen/künstlerischen Bereich der Fotografie wett. Als Ingenieur kann ich Zahlen und ihre Bedeutung sehr gut verstehen, aber meine künstlerische Seite ist noch ausbaufähig.

Gab es auf eurer Reise größere technische Probleme?

Nun, mein Fahrradkoffer ist am Flughafen heruntergefallen, so dass mein Kettenblatt eine kleine Delle hatte, die bei jeder Pedalumdrehung ein Knacken verursachte. Aber nach dem ersten Tag war das Knacken weg und wieder alles in Ordnung. Ansonsten war das einzige, das schief ging, das Wetter!

Du hast bereits mehrere Bikepacking-Trips unternommen. Die Liste ist tatsächlich lang. Hast du schon Pläne für das nächste große Abenteuer?

Ich habe für den Herbst eine kleine 5-tägige Solotour in Andalusien in Südspanien geplant, mit günstigen Flügen und 4 Übernachtungen in billigen Hostels, die einem Teil der Transandalus-Route folgen. Danach planen wir gerade eine große 8-wöchige Tour durch Neuseeland für Januar-März nächsten Jahres. Wir werden uns grob an der Tour Aotearoa und der Sounds to Sounds Route orientieren, aber mit viel Zeit, um Abstecher zu einigen Sehenswürdigkeiten zu machen. Es bleibt also spannend.