Es gibt wohl kaum ein Kleidungsstück, über das unter Radfahrern mehr diskutiert wird: die Bib-Short. Die richtige zu finden, ist eine Philosophie: Welche Marken haben das beste, komfortabelste oder langlebigste Produkt? Was sollte man beim Kauf beachten? Und ja, wir wissen es, beim Thema Trägerhosen für Mädels scheint sich der Markt noch im Neolithikum zu befinden. In unserer Interview-Serie sprechen wir mit Experten der namhaftesten Marken und tauchen ein in die Welt der Paddings, Nähte und Stoffe. Dabei gehen wir den Fragen nach wie sich die verschiedenen Modelle voneinander unterscheiden, was sich in den letzten Jahren in der Forschung und Entwicklung getan hat und wann man sich von seiner alten Bib trennen sollte. Heute: Im Gespräch mit Markus Konrad, Co-Gründer und Kopf des Tech-Labs von Ryzon.
Cleat: Hi Markus, schön dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Viele Radsportler tragen ihre Bibs ziemlich lange, quasi bis es nicht mehr geht. Schließlich kosten die Dinger ja auch eine Menge. Wann ist der richtige Zeitpunkt, die alte Trägerhose gegen eine neue zu tauschen?
Markus Konrad: Meiner Erfahrung nach trägt man ein Kleidungsstück, mit dem man sehr zufrieden ist, unheimlich gerne und häufig. Das trifft auch auf Radhosen zu. Frei nach dem Motto „Never change a winning team“. Gerade in so einem sensiblen Bereich wie der Sitzfläche, versucht man natürlich Experimente zu vermeiden. Es sei denn, man ist in der Rolle des Produktverantwortlichen und Testers – da probiert man gerne Neuerungen aus und prüft Materialien auf Langlebigkeit und Einsatzzweck. Daher finde ich es persönlich auch gar nicht kritisch, Dinge so lange zu tragen bis sie schließlich kaputt gehen und nicht mehr repariert werden können.
Patagonia waren seinerzeit die ersten, die einen Reparaturservice angeboten haben. Nun ziehen, wenn auch nur wenige, Marken nach. Ryzon ist eine davon?
Genau! Diesen Service bieten wir bei Ryzon all unseren Kunden an, da wir überzeugt davon sind, dass kleinere Schäden oder Mängel nicht direkt zum Wegschmeißen eines Produkts führen sollen.
Ryzon legen sehr viel Wert auf Stoffe und Verarbeitung. Was ist euch bei der Entwicklung und Produktion von Bibs besonders wichtig? Und warum?
Für uns ist es wichtig, den Kunden ein Produkt zu bieten, das innovative und nachhaltige Materialien verwendet, die für eine lange Lebensdauer entwickelt wurden. Unser Ansatz, hochwertige Stoffe hauptsächlich aus Europa zu wählen und diese dann auch ‚hier‘, also in Portugal, verarbeiten zu lassen, ist Teil unserer Überzeugung. Lange Transportwege aus Asien wollen wir damit vermeiden. Auch ist der persönliche Kontakt zu unseren Lieferanten und Produzenten, der uns sehr wichtig ist, so möglich.
Was heißt das im Detail?
Gemeinsam mit Lieferanten eigene Stoffe zu entwickeln und diese mit unseren technischen Innovationen zu verbinden, ist genauso wichtig wie das Wählen recycelter Stoffe. Bei Bibs und Sitzpolstern testen wir immer und immer wieder bestehende Styles mit Polstervarianten und verschiedene Trägerkonstruktionen. Nicht zuletzt dadurch, da wir als B2C-Brand das Kundenfeedback „sofort“ in Neuentwicklungen berücksichtigen können.
Welche Anforderungen stellt Ryzon an die Paddings der Trägerhosen?
Polster, Schnitt und Passform der Sitzfläche zu verbessern ist nicht nur bei Rad-Bibs ein sensibles Thema; die Trisuits sind hier mindestens genauso wichtig. Polster und Material müssen so gewählt werden, dass sie im Wasser nass werden würden und bestenfalls hydrodynamisch sind. Außerdem sollten sie auf dem Rad schnell trocknen und aerodynamisch sein sowie beim Laufen wenig auftragen und ausreichend Bewegungsfreiheit bieten.
Wie laufen bei Ryzon die Testverfahren ab und nach welchen Aspekten werden die Materialien ausgesucht, die bei der Bib zum Einsatz kommen?
Testen durch Testen und viel hilft viel! Oftmals nehmen Teammitglieder aus der Produktentwicklung die Samples mit ins Training. Wie bereits erklärt, bauen wir an bestehenden Styles immer weiter Komponenten um, was uns selbst beim Sport und beim Testen auffällt oder durch Kunden widergespiegelt wird. Bei uns besten die Materialien in der Regel immer aus recycelten Rohstoffen und werden dementsprechend ausgewählt. Weitere Kriterien sind natürlich das Abschneiden bei Tests, wie schnell sie sich abnutzen und wie hoch der Tragekomfort ist. Last but not least muss jeder Stoff auch zu unserer Designsprache passen. Das sind natürlich sehr viele Faktoren, die auch nicht immer gelingen.
Welche sind das denn genau?
Hochwertige Polyamide oder Polypropylene können zum Teil nicht recycelbar produziert werden, um daraus beispielsweise einen High End Trisuit machen zu können. Polyester sind besser zum Recyceln geeignet, jedoch von den Abriebswerten und der Geruchsentwicklung für Sitzflächen eher ungeeignet. Dies erklärt auch unsere häufige Wahl durchgefärbter Stoffe. Bei diesen kann die Farbechtheit eher gewährleistet werden als beispielsweise bei sublimierten Polyesterstoffen.
Bei eurem Triathlon Anzug kommt die hypermoderne Graphen Gridflow Technologie zum Einsatz. Findet sich diese auch bei eurem Angebot von Bibs?
Bisher kommt diese Technologie ausschließlich in unserem Verge Tri Race Suit vor. Grund dafür sind die wesentlichen Unterschiede der Anforderungen an die Sportarten Triathlon und Radsport. Einen Triathlon Wettkampf bestreitet ein Triathlet ausschließlich im Triathlonanzug. An heißen Wettkampftagen kann der Fahrtwind auf dem Rad den Erhalt der Körperkerntemperatur sicherstellen. Beim Laufen allerdings sieht das anders aus. Hier greift und hilft dann vor allem die Graphene Gridflow Technologie. Diese leitet lokal zugeführte Kälte an die wichtigen Punkte am Körper, an denen die Körperkerntemperatur minimal beeinflusst werden kann. Da wir davon ausgehen, dass Bibs ausschließlich beim Radfahren genutzt werden, lag die Priorisierung der Verwendung dieser neuen Technologie erst einmal bei unserem Verge Tri Race Suit. Da es aber eine sehr neue Technologie ist, sind wir auch noch lange nicht am Ende ihres Einsatzzweckes angelangt. Aber es spricht eigentlich auch nichts gegen einen Einsatz unseres Zeitfahranzugs bei Radsport-Rennen.
Was hat sich in den letzten Jahren in der Forschung und Entwicklung so alles getan?
Die Forschung zeigt, dass die Lieferanten mehr und mehr recycelte und biologisch abbaubare Materialien anbieten. Leider sind die Preise hierfür noch etwas über den herkömmlichen Materialien, was sich bei steigender Nachfrage jedoch ändern wird. Bezüglich Sitzpolster ist bei der wissenschaftlichen Untersuchung tatsächlich noch Luft nach oben. Hier wollen wir gerne proaktiv wirken und eine Veränderung hervorrufen.
Worauf sollte man beim Kauf einer neuen Trägerhose unbedingt achten?
Wichtig bei der Wahl einer Hose oder eines Einteilers ist die richtige Passform im Schritt und im Sitzbereich. Zu häufig sieht man, dass Bibs und Anzüge wie eine Jeans angezogen werden: Das Kleidungsstück wird auf Höhe der Hüfte festgehalten und mit Kraft nach oben gezogen. Wichtig ist jedoch, dass man die Bibs und Suits so anzieht, wie man kleine Babys in ihre Jumper packt. Dazu gilt es die Beinenden vorsichtig nach oben zu krempeln und peu à peu dort zu platzieren, wo die Hose beziehungsweise der Suit sitzen soll. So kann man bestens herausfinden, ob die Hose zu groß ist und Falten wirft oder zu klein und am Bein drückt oder gar nicht erst über die Hüfte rutscht. Auch die Länge der Träger beziehungsweise. der Abstand zwischen Schritt und Träger-Ende ist entscheidend: Man sollte nicht das Gefühl haben, dass der Schritt der Hose durch den Zug auf den Trägern in unbequeme Sphären gezogen wird.
Viele Anfänger stehen vor der Frage, welches Padding für sie am besten geeignet ist. Ausprobieren geht ja blöderweise nicht. Mit welcher Padding-Stärke sollten man für den Anfang vorliebnehmen?
Entscheidend ist hier tatsächlich nicht die Dicke des Polsters, sondern generell ein faltenfreier, ausreichend enger Sitz im Schritt und vor allem eine optimale Sitzposition. Natürlich spielt auch der richtige Sattel eine Rolle. Aber das würde hier zu weit führen.
Mehr Infos zu den Produkten von Ryzon gibt es auf ihrer offiziellen Webseite