Die European Outdoor Film Tour ist seit über 20 Jahren ein fester Bestandteil der Outdoorsport-Coummunity. Hier treffen sich alle – vom Extrembergsteiger bis zum Randonneur. Nachdem die beliebte Film-Tour im letzten Jahr aufgrund von Corona komplett ausblieb, setzen die Organisatoren inzwischen auf ein Streaming-Angebot. Wir sprachen mit dem Filmemacher und E.O.F.T-Gründer Joachim Hellinger über die Zukunft der Tour und das Überleben in der Krise.
Interview: Max Marquardt / Fotos: EOFT
CLEAT: Die Corona-Krise hat vor allem der Veranstaltungsbranche schwer zugesetzt. Auch die EOFT musste mehrfach verschoben werden. Wie kommt ihr mit der gegenwärtigen Situation zurecht?
Joachim Hellinger: Wir mussten tatsächlich hunderte Veranstaltungen in verschiedenen Ländern absagen. Deshalb haben wir schon im April 2020 damit begonnen, mit Outdoor-cinema.net eine eigene Streaming-Plattform als digitale Alternative aufzubauen. Aktuell läuft hier auch das Format „E.O.F.T. BASECAMP“. Wir zeigen in vier Episoden die besten EOFT-Filme der letzten 20 Jahre. Ebenso gibt es dort das komplette 2020er Programm der Int. OCEAN Film Tour zu sehen, sowie die Filme unseres BANFF-Formats. Wir haben sozusagen unser kleines Mini-Netflix geschaffen.
Wie wird das Angebot bisher von den Leuten angenommen?
Die Programminhalte werden sehr gut angenommen und die Fans freuen sich darüber. Auch mit den Zahlen sind wir zufrieden, sie stehen jedoch in keiner Weise im Vergleich zu der Menge an Zuschauern, die wir erreichen würden, wenn wir unsere Live-Veranstaltungen durchführen könnten.
Bei einem großen Team wie der EOFT-Crew ist die Kurzarbeit im Zuge der Corona-Krise wohl unausweichlich, oder?
Ja, wir mussten tatsächlich in Kurzarbeit gehen und waren schnell darauf bedacht, alle Kosten so gut es ging zu reduzieren. Die Tourplanung musste inzwischen aufgrund der Entwicklung der Pandemie zwei Mal komplett über den Haufen geworfen werden. Wir haben uns dann auf den Ausbau der Streaming-Plattform fokussiert, sowie verstärkt mit der Organisation des Restarts der Live-Touren im Herbst 2021 beschäftigt. Im Moment sind wir guter Hoffnung mit voller Power aus dieser Krise zurückzukehren. Bei der E.O.F.T. starten wir zum Beispiel im Oktober mit einem tollen Jubiläumsprogramm. Wir mussten hier ja nicht nur eine Tour verschieben, sondern eben auch unser 20-jähriges Jubiläum.
Auf der E.O.F.T. werden jedes Jahr die besten und inspirierenden Filme der Branche/Szene gezeigt. Hat es diesmal Corona bedingt weniger Filmeinsendungen beziehungsweise eine kleinere Auswahl gegeben?
Eigentlich nicht wirklich. Der Auswahlprozess ist bereits in vollem Gange. Ebenso sind wir dabei, unsere eigenen Filme zu projektieren und zu drehen. Wir entwickeln ja neben den Einsendungen stets selbst Projekte und Formate. Zur Jubiläumstour werden wir definitiv ein starkes Programm mit spannenden Inhalten haben.
Mit welchen Spannenden Inhalten dürfen denn die Zuschauer der Jubiläums-Tour rechnen?
Es gibt auf jeden Fall ein Wiedersehen mit Elliot Schonfeld, der 2019 als Minimalist den Himalaja durchquert hat. Elliot war im Jahr darauf im Amazonas und hat dort ein unglaublich spektakuläres Abenteuer erlebt, das er auch selbst gefilmt hat. Diesmal wurde es tatsächlich auch existenziell bedrohlich für ihn, aber er hat alles gut überstanden und hat uns nicht nur eine tolle Geschichte, sondern auch einen tollen Film zurückgebracht.
Als hauptsächliches Radsport-Magazin interessiert uns natürlich, ob es auch in dieser Sportart wieder einen Film geben wird…
Ja, wir sind dran! Es wird diesmal eine größere Rad-Abenteuer-Geschichte geben, da kann ich aber leider noch nichts verraten…
Auf welchen Beitrag freust du dich schon ganz besonders?
Ich freue mich eigentlich immer auf alle Beiträge (lacht). Momentan arbeiten wir gerade an einem Projekt mit der Schweizer Alpinistin Caro North. Caro ist eine ganz spannende Persönlichkeit und sehr inspirierend – vor allem für unser weibliches Publikum. Das wird mit Sicherheit ein toller Film, aber auch ein wichtiger Beitrag für mehr Diversität im Outdoorsport. Wir versuchen bei der E.O.F.T. seit jeher, den Frauen einen besonderen Platz einzuräumen. Ich bin mir sicher, dass der Film mit Caro alle Zuschauer gleichermaßen begeistern wird.
Die Filme, die die Zuschauer auf der EOFT zu sehen bekommen, sind fast immer unglaublich inspirierend und motivieren viele Menschen, es den Protagonisten gleich zu tun. In einem anderen Interview hast du hierzu gesagt, dass es auch eines der Anliegen der EOFT ist, die Leute zu motivieren, „rauszugehen“. Nun ist das Thema leider inzwischen nicht mehr so ganz leicht: Massenansturm in den Alpen, am Everest. Hobby-Sportler, die sich durch unüberlegte Expeditionen in Lebensgefahr bringen, Selbstüberschätzung – auch das Thema Nachhaltigkeit spielt da eine gewisse Rolle, denn die Logistik für viele Filme ist extrem. Wie seht ihr euch hier Träger der Message „Geht raus und erlebt Abenteuer“ in der Verantwortung?
Wir sehen uns immer noch in der Funktion, die Leute zu motivieren raus zu gehen. Damit meinen wir aber vornehmlich raus vor die eigene Haustüre, um einen aktiveren Lebensstil zu führen. Wir sehen die Zuwendung zur Natur und die daraus resultierende Erkenntnis, die Natur schützen zu müssen als sehr wichtig an. Genauso wie die Erfahrung, sich selbst in der Natur zu erleben, sich gesünder zu fühlen und eigene Geschichten zu erleben. Dass dabei dieser besondere Drang bei manchen Leuten immer wieder zu gewissen Auswüchsen führt, ist nachvollziehbar. In unseren Geschichten geht es um Mut und Überwindung, über die Fähigkeit das eigene Leben, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wenn man sieht, wie ein Elliot Schonfeld sich durch den Amazonas schlägt oder eine Kletterin eine schier unmögliche Wand bezwingt, kann daraus jeder etwas lernen. Unser Anliegen ist, eine Inspiration für die Lösung von Alltagsprobleme zu bieten. Also vom Großen aufs Kleine übertragen. Gerade die Abenteuerstorys haben für viele eine ungeheure Motivationskraft.
Ihr könnt inzwischen auf eine 20-Jährige Geschichte zurückblicken. Welcher Film hat dich bis heute am meisten in Seinen Bann gezogen – am meisten inspiriert?
Naja, 20 Jahre EOFT auf einen Film zu reduzieren ist nicht nur unmöglich, sondern auch ungerecht gegenüber den vielen großartigen Beiträgen, die wir in all den Jahren hatten. Ein Film, den ich nicht vergessen werde, ist die Doku eines jungen Norwegers, der von seiner Heimat bis nach Ushuaia, dem südlichsten Ort Lateinamerikas gesegelt ist – mit keinerlei Segelerfahrung. An seinem Ziel hat er dann einen Backpacker aufgegabelt, der ebenfalls keine Erfahrung hatte. Gemeinsam haben sie die berüchtigte Drake-Passage überquert, um in die Antarktis zu segeln. Die beiden kentern dabei beinahe, aber sie überleben. Eine unglaubliche Geschichte. Der Film wirkt heute in seiner Machart und der Qualität bestimmt anachronistisch, aber „Beserk in the Antarctic“ ist ein pures Abenteuer und versinnbildlicht immer noch den Geist und die Haltung der EOFT.
Gibt es den Film auch zum Stream auf E.O.F.T. Basecamp?
Nein, leider nicht. Der Film liegt ja schon 20 Jahre zurück. Das ist jetzt schlechtes Marketing (lacht). Aber natürlich findet man andere große Klassiker wie die „Baffin Babes“, „The Adventures of the Dodo“, „A Line across the Sky“, „The Road from Karakol“, „Unbranded“, „North of the Sun“ und viele andere tolle Beiträge im Streaming-Angebot.
Was kann man tun, um euch zu unterstützen und den Fortbestand der Veranstaltung für die Zukunft zu sichern?
Es gibt da zwei ganz konkrete Möglichkeiten: Wir haben die Eintrittskarten für die E.O.F.T. 2021 und 2022 bereits auf unserer Webseite www.eoft.eu online verfügbar. Man kann sich dort schon jetzt ein Ticket für den kommenden Herbst sichern. Das hilft uns, diese schwierige Phase zu finanzieren. Die andere Möglichkeit ist natürlich das E.O.F.T. BASECAMP. Einfach den 7-Tage Pass kaufen, gleich die Filme anschauen und vielen Freunden weiterempfehlen.
Was ist das Erste, das du nach den Lockdowns tun wirst?
Wir arbeiten meist „remote“ aber kontinuierlich auf die Premiere der E.O.F.T. im Herbst und den Restart aller anderen Touren hin. Ich freue mich darauf, alle Mitarbeiter*innen wieder zu sehen und wieder im Team gemeinsam an einem Ort arbeiten zu dürfen.
Und privat?
Ich werde ganz viele Freunde einladen und meine traditionelle Neujahrsparty nachholen. Vielleicht im Sommer mit einem Garten-Fest. Mal sehen.