Durch den Corona bedingten Lockdown sind die Grenzen zwischen Deutschland, Österreich und Italien geschlossen. Die zwei Freunde, der in Österreich lebende Max Riese und der Italiener Bruno Ferraro, können ihre Länder nicht verlassen. Vor diesem Hintergrund planen sie eine Gravelroute über einen historisch wichtigen Grenzpass in den Alpen – um sich dort auf ein Bier zu treffen. Das Ergebnis sind jede Menge Fotos, ein Film und eine inspirierende Geschichte.
Story und Art Direction: Max Riese, Fotos und Illustrationen: Chiara Terraneo, Videographie: Christoph Perkles, Gianluca Miotto, Zusätzliches Filmmaterial: Hartwig Winkler, Matteo Polo
Wenn wir ehrlich sind, war 2020 ein wirklich hartes Jahr für alle von uns. Es spielt keine Rolle wo man lebt, oder was man tut, COVID-19 hat den Alltag von uns allen stark verändert. Selbstverständlich in unterschiedlicher Ausprägung, zu unterschiedlichen Zeiten und manche wurden deutlich härter getroffen als andere. Aber soll das bedeuten, dass wir nicht mehr raus in die Natur können? Dass unsere geliebten Trails verwaisen? Mitnichten! Man muss nur etwas kreativ werden.
Jeder von uns hatte große Pläne für 2020, so auch Bruno Ferraro und ich. Wir haben viele gemeinsame Freunde und pflegen schon seit langem eine “digitale Freundschaft”. Persönlich getroffen haben wir uns allerdings noch nie. Nachdem wir beide die Zusage für das TCR No. 8 erhalten hatten, freuten wir uns, dass wir uns endlich mal persönlich begegnen würden. Der Frühling 2020 machte uns jedoch schnell klar, dass Reisen und die Teilnahme an grenzüberschreitenden Rennen dieses Jahr nicht möglich sein würden. All unsere Rennen wurden abgesagt.
Durch den Lockdown konnten wir uns nur noch eingeschränkt im Umkreis unserer Heimatstädte bewegen. Italien wurde besonders hart durch COVID-19 getroffen und so konnte Bruno lange Zeit gar nicht raus zum Radfahren. Für uns in Österreich waren die Einschränkungen deutlich geringer. Österreich isolierte sich durch geschlossene Grenzen und die Fallzahlen und Maßnahmen waren vergleichsweise gering.
Das war es also nun? Keine Rennen, keine Coffeerides, nicht mal ein gemeinsames Bier. In Zeiten des Lockdown war es schwer auch nur an gemeinsame Aktivitäten mit Freunden zu denken. Doch dann wurden die Maßnahmen in Italien etwas gelockert und Bruno konnte sich endlich zumindest in seiner Heimatregion wieder frei bewegen. Nachdem ich uneingeschränkt innerhalb Österreichs reisen durfte erschlossen sich plötzlich wieder Möglichkeiten. Wir durften nur nicht die Grenze überschreiten. Warum also nicht auf ein Bier an der Grenze Treffen, ohne diese aktiv zu überschreiten?
Wir gingen frisch ans Werk und fanden einen alten Pass welcher Veneto und Osttirol verbindet. Das “Tilliacher Joch” beziehungsweise “Forcella Dignes” war schon früh als Handelsroute für beide Länder von Bedeutung. Im ersten Weltkrieg lieferten sich dort italienische und österreichische Soldaten gnadenlose Kämpfe. Ein geschichtsträchtiger Ort.
Und wie der Zufall es so will, liegt das Tilliacher Joch ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Brunos Heimatstadt Bassano del Grappa und meinem Wohnort Salzburg. Durch eine kreative Routenplanung, war es uns beiden möglich eine Route dorthin zu planen, die keine COVID-19 Restriktionen unserer respektiven Regionen, und Länder verletzte. Die Route war gefunden, und das Projekt “rEUnion” war geboren.
Es war sehr wichtig für uns unsere Routen so zu planen, dass wir keine stark bewohnten Regionen durchqueren würden. Außerdem wollten wir unsere Tour komplett unsupported durchführen um die Wahrscheinlichkeit andere in Gefahr zu bringen so gering wie möglich zu halten. Einsame Pfade, fernab jeglicher Zivilisation – ein typisches Bikepacking-Abenteuer also.
Schon allein die Planungsphase hat uns viel Spass gemacht und die Vorfreude endlich unsere Routen zu fahren war riesig. Endlich draußen in der Natur zu sein, war für uns eine Befreiung. Die Ruhe und Freiheit fühlte sich phantastisch an, aber vor allem auch der Gedanke daran, einen Freund zu treffen. Und zwar von Angesicht zu Angesicht. Früher hätte sich das vielleicht etwas belanglos angehört, seit den Lockdowns wissen wir aber, wie wichtig soziale Kontakte für uns sind. Dieses Treffen hatte für uns einen wahren symbolischen Wert. Denn besonders in in Europa sind wir es gewohnt, uns frei und ohne Pass innerhalb der europäischen Union zu bewegen. Wir sind stolz darauf. Und der Grund, aus dem das möglich ist, ist das so genannte Schengen-Abkommen, welches es uns seit 25 Jahren ermöglicht innerhalb Europas offene Grenzen zu haben.
Die COVID-19 Krise hat uns daran erinnert wie es sich anfühlt eingeschlossen zu sein, wie es ist, nicht mehr frei und grenzenlos in andere Länder reisen zu können. Damit wir uns nicht falsch verstehen: der Lockdown war notwendig und wir können froh sein, dass unsere Länder nach wie vor hart daran arbeiten, dass diese Krise nicht noch schlimmer wird. Der Wunsch vieler Rechtspopulisten von geschlossenen Grenzen und Abschottung wird durch die Corona bedingten Maßnahmen an den Grenzen nur noch absurder. Stellt euch vor, wir müssten die Freiheit, die wir uns so hart erarbeitet haben, für immer aufgeben?
Wir hoffen, dass euch die beiden Filme und das Projekt dazu motivieren, selbst rauszugehen und die Freiheit die ihr habt, mit jedem Atemzug zu genießen. Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist fragiler als wir denken und kann uns schnell genommen werden. Seid frei und kreativ – es gibt so viele Arten dies auszuleben. Unsere Reise markiert nur eine von vielen Möglichkeiten und wir können es kaum erwarten zu sehen, wir ihr eure Version von Freiheit auslebt. Wir sehen uns draußen!