Die Fotografin Ana Zamorano ist einmal quer durch den Iran und durch das iranische Kurdistan geradelt. Auf ihrem Bikepacking-Abenteuer dokumentierte sie mit ihrer Kamera die einzigartigen Begegnungen und Landschaften des Mittleren Ostens. Wir sprachen mit Ana über ihre spannende Reise, 10 Liter Wassertanks und fernöstliche Gastfreundschaft…

Fotos: Ana Zamorano / Interview: Max Marquardt

Hi Ana, du bist gerade aus Kurdistan und dem Iran zurückgekehrt. Wie lange warst du insgesamt unterwegs?

Ana: Hi Max, ich habe insgesamt zwei Monate in beiden Ländern verbracht – einen Monat im Iran, den anderen im iranischen Teil Kurdistans.

Was haben Freunde und Familie zu diesem Abenteuer gesagt?

Sie waren vor allem unglaublich glücklich mich nach meiner Rückkehr wieder in die Arme zu schließen. Denn wie die meisten Menschen in der westlichen Welt, dachten auch sie, dass beide Regionen ziemlich gefährlich sind und in einer sogar ein Krieg herrscht. Natürlich haben sie sich sehr um mich gesorgt. Als ich die Südamerikanische Grenzregion mit dem Rad überquert habe, hatten sie auch Angst – aber der Iran war ihrer Auffassung nach noch viel gefährlicher.

Denken sie inzwischen anders darüber?

Nach meiner Rückkehr waren sie sehr überrascht von meinen Erzählungen über die Gastfreundschaft und die unglaubliche Herzlichkeit der Menschen dort. Das ist auch einer der Gründe, warum ich diese Reisen unternehme. Die Medien beeinflussen uns zu sehr, insbesondere was diese Länder betrifft. Durch das Reisen bekommt man ein völlig neuen Blick darauf – man erfährt dadurch, wie es wirklich vor Ort ist und falsche Vorstellungen schnell abgebaut.

Du bist in Teheran gestartet. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Stadt nicht gerade für freie Straßen und zurückhaltende Autofahrer bekannt ist. Wie bist du mit dem Verkehr  zurechtgekommen?

Ja, da hast du recht – es war wirklich heftig. Ich fuhr an einem sehr heißen Morgen los, viel zu spät, weil die Familie, bei der ich untergebracht war, mich noch zu einem ausgiebigen Frühstück eingeladen hatte. Obendrein trug ich für das heiße Klima einen ungeeigneten Hiyab, was die Hitze noch unerträglicher machte. Der Verkehr und die lebensmüde Fahrweise der Iraner sind krass. Auf den Straßen herrscht das Gesetz des Stärkeren.

Die Berge im Iran haben ziemlich steile und tückische Rampen. Hinzu kommt die dünne Luft in den oberen Lagen (der Iran ist auch als „Land der 4000er“ bekannt – Anm.d.Red.) und teilweise herausfordernde Straßenverhältnisse. Bist du hierfür gut vorbereitet gewesen?

Ich denke schon, denn ich bin davor ja fast ein Jahr lang auf dem Rad durch Südamerika gefahren. Auch der irre Fahrstil der Peruaner und Bolivianer ist vergleichbar mit dem der iranischen Verkehrsteilnehmer. Das war ein ganz gutes Training für mich.

Du bist gleich nach deiner Rückkehr von Südamerika in den Mittleren Osten geflogen. Das muss ein ziemlicher Kultur-Schock gewesen sein, oder?

Ich kam mir vor wie die Hauptrolle in einer Netflix-Serie (lacht). Ich wollte immer schon den Iran bereisen. Vor Ort war das in der Tat ein Schock für mich. Nicht nur kulturell, sondern natürlich auch bezogen auf Landschaft und Klima. Ich war ja nur ganz kurz zu Hause, um Klamotten und Ausrüstung auszutauschen.

Wie bist du auf den Iran aufmerksam geworden?

Ich wollte schon immer dorthin. Als ich dann vor ein paar Jahren in Bolivien ein total nettes und unglaublich herzliches Ehepaar aus dem Iran kennenlernte und sie mich zu sich einluden, war es um mich geschehen. Sie haben mir sehr viel geholfen, was die Vorbereitungen betraf.

Was war die längste Distanz, die du im Iran zurückgelegt hast?

Puh, gute Frage! Ich nutze mein GPS-System nicht für das Tracken von Kilometern, darum geht es mir auf meinen Reisen auch gar nicht. Ich möchte die Menschen kennenlernen, die Landschaft. Ich möchte an Orte kommen, die man nur mit dem Rad erreicht und sie entdecken. Und was das betrifft, war der Iran perfekt. Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft sind unbeschreiblich.

Du bist durch zwei sehr arme Regionen gereist, in denen der Wert deines Fahrrads und deiner Ausrüstung wohl das Jahreseinkommen mancher Iraner übersteigen. Ich war selbst im Iran und fühlte mich manchmal etwas komisch dabei, auf einem 10.000 Euro teurem S-Works Tarmac durch die Landschaft zu brettern und dann Abends von Menschen eingeladen zu werden, die gerade mal so viel verdienen, dass sie ihre Familie ernähren können. Wie war das für dich?

Um ehrlich zu sein, musste ich auch daran denken. Doch ich versuche mich auf Reisen wie diesen auf den menschlichen Austausch, auf das Miteinander zu konzentrieren – und natürlich darauf, später über all dies berichten zu können. Natürlich weiß ich, dass ich in einer privilegierteren Position bin und deshalb möchte ich den Menschen, die ich treffe, durch meine Arbeit eine Stimme geben, die sonst ungehört bliebe.

Auf der Strecke von Teheran nach Isfahan muss man eine weitläufige Steinwüste durchqueren. Es gibt hier kein Wasser und nur sehr wenige Möglichkeiten, die Vorräte aufzufüllen. Wie hast du dieses Problem gelöst?

Ich habe eine zusätzliche 10 Liter Wasserblase dabei, die ich genau für solche Situationen gekauft habe. Sie hat mir bereits in Südamerika schon sehr treue Dienste geleistet und im Iran kam sie wieder zum Einsatz. Es fühlt sich ein bisschen irre an, das Rad mit weiteren 10 Kilo zu bepacken, aber am Ende ist es das wert. (lacht)

Nutzt du auf deinen Bikepacking-Trips ein Zelt, ein Tarp oder schläfst du unter freiem Himmel?

Ich habe normalerweise immer ein Zelt dabei, nutze es aber nicht jede Nacht. Am liebsten komme ich bei Locals unter. Es ist wirklich unglaublich, wie oft ich im Iran von Familien eingeladen wurde. Selbst mitten in der Pampa tauchte plötzlich ein Auto oder Motorrad – einmal sogar ein Reiter – wie aus dem Nichts auf, um mich zum Abendessen einzuladen.

Im Iran ist Radfahren für Frauen eigentlich verboten, auch wenn es die Iraner mit diesem Gesetz selbst nicht so ernst nehmen. Kam es, insbesondere in den ländlichen und konservativen Gegenden zu Problemen?

Ich wurde überall willkommen geheißen. Es gab zwar ein paar ganz wenige Zwischenfälle, in denen ich einfach ignoriert wurde, aber 99 Prozent der Menschen denen ich begegnete, waren extrem freundlich, hilfsbereit und gastfreundlich zu mir.

An der Grenze zu Kurdistan kam es dann aber doch zu Problemen?

Ja, das war der schlimmste Tag, den ich auf der gesamten Reise hatte. Man ließ mich an der Grenze nicht passieren, weil ich alleine unterwegs war. Mein Visa wurde also nicht akzeptiert und ich musste umkehren. Die Familie, bei der ich in Sanandaj (der Hauptstadt) untergebracht war, überredeten mich dann dazu, es an einer anderen Grenzstelle erneut zu probieren. Weil die Distanz zu weit mit dem Rad gewesen wäre, fuhr ich mit dem Bus dorthin. Nach einigen weiteren Problemen und Diskussionen durfte ich endlich passieren. In meinem Pass stand dann unter dem Stempel der Vermerk, dass mein „Ehemann“ nachkommen würde.

Hattest du ein SOS-System wie SPOT oder InReach dabei?

Nein, ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt. Für meine nächsten Reisen nach Pamir, Kirgistan und Pakistan habe ich mir aber eines zugelegt. Seit meinem Trip nach Chile habe ich aber immer zur Sicherheit ein Pfefferspray dabei.

Was war der schönste Moment während deinen zwei Monaten im Iran und in Kurdistan?

Da gibt es natürlich mehr als nur einen. Besonders war aber jener Moment, als ich während einem langen Anstieg von einer Familie begleitet wurde, die im Auto neben mir fuhren – über eine Stunde lang. Danach luden sie mich in ihr Haus ein, wo ich drei wahnsinnig tolle Tage und Nächte verbrachte. Ich ging mit ihnen Erdbeeren pflücken und half ihnen im Haus und bei der Gartenarbeit. Ich wurde wie ein Mitglied der Familie behandelt – das ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Beruflich bist du Fotografin und Filmemacherin. Lass uns über deine Ausrüstung sprechen. Deine Fotos aus dem Iran sind beeindruckend. Welche Kamera nimmst du auf deine Bikepacking-Reisen mit?

Im Iran hatte ich eine Canon 5d iii mit einem 28-70mm Objektiv dabei. Inzwischen bin ich aber auf eine Sony alpha 7iii umgestiegen. Es ist eine Umstellung, aber ich kenne Sony bereits durch die Videographie.

Hast du einen guten Tipp für eine kleine robuste und vor allem leichte Kamera für Reisen mit dem Rad?

Die Sony a6500 ist gut! Das einzige Problem ist allerdings der Akku.

Kommen wir von der Kamera zu deinem Bike: Mit welchem Rad warst du unterwegs?

Ich fahre ein Tout Terrain Outback 27,5 aus Deutschland mit einer Pinion Schaltung. Ich liebe das Teil!

Gab´s technische Probleme?

Bis auf einen Platten nichts (lacht)

Wirst du in den Iran zurückkehren? Gibt es eine Wiederholung?

Auf jeden Fall! Ich möchte nächstes Jahr wieder zurück. Aber mal sehen wie sich das mit dem Virus entwickelt. Drückt mir die Daumen!