Liebe Leser,
während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich auf der Veranda meiner Unterkunft in Südafrika, neben mir ein kühler Drink, im Hintergrund rascheln die Palmenblätter im sanften Wind. Es ist kurz vor fünf. Zeit zu entspannen. Heute war ich den ganzen Tag mit dem Rennrad unterwegs. Auf dem berühmten „Chapman´s Peak“ ging es runter ans „Kap der guten Hoffnung“, vorbei an kleinen, postkolonialen Fischerdörfchen, Pinguinen und an Tagelöhnern, die am Straßenrand auf einen Auftraggeber hofften.
„Südafrika ist das Paradies“, hatte mir vor der Abreise noch ein Bekannter mit auf den Weg gegeben. Das war vor zwei Wochen – und ich muss ihm recht geben! Es ist unbeschreiblich, atemberaubend, Sprache verschlagend schön hier. Neil, der Eigentümer meiner Unterkunft in Kapstadt findet das ebenfalls. So sehr, dass der gebürtige Engländer vor einigen Jahren dem Königreich den Rücken kehrte. Auf meine Frage, ob er die Heimat denn nicht manchmal vermisse, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Not a single day“, gefolgt von einem endgültigen „..And I will never go back!“. Eine krasse Äußerung, fand ich. Aber ja, hier in Südafrika fällt es wirklich schwer, an die Heimat zu denken. Denn während bei uns daheim gerade die Temperaturen schneller in den Keller rauschen als die Zahlen so mancher Fahrrad-Marke, hat es hier angenehme 23 Grad und Sonnenschein. „Garden Eden – I´ve found it!“, entgegnete mir gestern ein freudestrahlender Mid-Fünfziger auf einem Weingut in den Bergen des nördlichen Kaps. Es ist hier in der Tat wahrlich paradiesisch. Wenn ich hier leben und arbeiten würde, dann würde ich wohl den „Chapman´s Peak“, die Garden Route oder andere Rennrad-Traumziele jeden Feierabend-Ride abspulen. Danach würde ich noch schnell mit meinen Buddies vom Mother Amateur Cycling Club auf ein Glas Merlot ins Open Wine rollen, dem Live-Jazz lauschen und mich des (Rad-)Lebens erfreuen. Jeden verdammten Tag. Es wäre das Paradies. Aber wäre es die Heimat?
Es klingt komisch. Aber ich würde wohl irgendwann doch unsere trüben, kaltgrauen Winter vermissen. Die Abwechslung der vier Jahreszeiten, die Typen, die den ganzen Herbst und Winter wie die Bekloppten auf der Rolle trainieren um dann bei den ersten zarten Sonnenstrahlen im März mit ihren käsigen Kadavern die ersten KOMs des Jahres auf ihrer Hausrunde abhaken. Die Ludwigshöhe in München, auch hassliebevoll „Münchner Poser-Berg“ genannt, Weißwürscht, gutes Brot, bayrisches Bier (ja, meinetwegen auch fränkisches), die geizigen Schwaben, die grummeligen Bayern, die unbequemen Hessen, die unterkühlten Nordlichter…
Man sagt ja immer, dass Heimat stets dort sei, wo das Herz ist. Nun, missversteht mich nicht, ich finde es großartig hier in Südafrika! Nach meinem letzten Buch (Über die Felder) brauchte ich etwas Entspannung und jetzt genieße ich meine Zeit unter Palmen (auch mit ein Grund warum es hier auf der Seite gerade etwas stiller als sonst ist), aber meine Heimat würde Südafrika nie werden. Denn auch, wenn die Heimat oft kalt, nass und ungemütlich ist, man sie liebend gerne gegen eine andere tauschen wollen würde, so ist es am Ende doch die Heimat. Mit den Leuten, die uns umgeben, den Orten, an denen wir aufgewachsen sind, die uns vertraut sind. Mit allem gemütlichen und ungemütlichen. Sogar mit eingeschlossen die unfreundlichen Fahrradladen-Besitzer (gefühlt jeder in Deutschland) oder die Nerds auf der Eurobike (die es wohl auch noch in Zweitausend Jahren geben wird).
Für jeden von uns mag Heimat etwas Anderes sein, ein Gefühl, eine Erinnerung, ein Geruch oder eine Region. Aber eines steht fest: Home isn´t where your heart is – home is, where your home is. Und so schwer es mir auch im gegenwärtig sommerlichen Augenblicke fallen mag: Südafrika ist es trotz aller Schönheit nicht. Wir sehen uns also wieder, Versprochen!
Euer Max & Cleat
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