Erstmals in seiner Firmengeschichte kooperiert der schwedische Outdoor-Ausrüster Fjällräven mit der kalifornischen Edelrad-Marke Specialized. Neben funktionaler Radbekleidung gibt es eine Auswahl an Bikepackingtaschen. Der Anspruch liegt auf robuster und durchdachter Draußen-Ausrüstung, die nebenbei nicht nur zuverlässig funktional, sondern auch stylisch sein soll. CLEAT hat die Bikepacking-Taschen einem zweitägigen Test unterzogen.
Text: Max Marquardt / Fotos: Max Marquardt & Georg Lindacher
Dass Style nicht alles ist, merkt man vor allem beim Bikepacken ziemlich schnell. Vieles, was auf den ersten Blick fancy und innovativ aussieht, stellt sich bei tatsächlicher Benutzung als schwer oder unnötig heraus. Als wir das erste Mal die Debut-Kollektion von Fjällräven und Specialized sahen, waren wir zugegebenermaßen skeptisch. Der Grund: Die schwedische Kultmarke genießt im Outdoorbereich eine verdientermaßen hohe Integrität und so ist es kein Wunder, dass man den kleinen Polarfuchs seit Jahrzehnten auf Fotos von ernstzunehmenden Abenteurern und Outdoor-Enthusiasten zu Gesicht bekommt. Selbiges gilt für Specialized, nur eben im Radbereich. Doch funktioniert die Fusion? Umso aufgeregter waren wir, als wir zu einem zweitägigen Bikepacking-Trip in die Bayrischen Alpen eingeladen wurden, um sowohl Taschen als auch Klamotten zu testen.
Da während unseres Micro-Abenteuers wettertechnisch alles dabei war, von schwüler Hitze bis Platzregen, bot sich uns eine einmalige Möglichkeit an, zu prüfen, ob die neuen Produkte tatsächlich halten was sie versprechen, oder nur ein weiteres Lifestyle-Produkt für die Großstadt-Schickeria sind.
Framebag
Unser Favorit an erster Stelle: Die Rahmentasche erwies sich auf unserem Kurz-Abenteuer als durchdacht, robust, wasserfest und ausgereift. Das witterungsbeständige Design aus Vinylon F mit Futter aus 100 Prozent recyceltem Nylon sieht nicht nur gut aus, sondern stellte sich als widerstandsfähig und strapazierfähig heraus. Eine smarte Idee ist die Stabilisierungsplatte aus Kunststoff im oberen Bereich der Tasche, sowie die schaumstoffgepolsterten Außenseiten. Wir sind uns nicht sicher, ob letzteres unbedingt nötig wäre, dennoch gibt es der Tasche eine sehr angenehme Steifigkeit, da sie die Struktur der Tasche stützen. Nichts bläht sich unnötig auf, auch dann nicht, wenn die Tasche vollgestopft ist.
Die Klettverschluss-Befestigungen für das Oberrohr sind Standard. An der Vorderseite hat die Tasche eine wetterfeste Kabelöffnung nach vorne – Danke hierfür! endlich hat es mal jemand begriffen! Punkteabzug gibt es bei den Nähten: Diese sind leider nicht versiegelt, der Futterstoff selbst ist jedoch wasserdicht. Ebenfalls etwas seltsam ist die Anordnung des Reißverschlusses, die förmlich danach schreit, dass Wasser eindringt. Doch auch hier wurden wir positiv überrascht: Selbst bei Starkregen und Nässe von allen Seiten blieb der Inhalt der Tasche sauber und trocken. Den Framebag gibt es in drei unterschiedlichen Größen (Small, Medium, Large) und zwei verschiedenen Farben.
Top Tube Bag
Gleiches Material, gleiches Design wie der Framebag. Ein feines Produkt, dass uns ebenfalls nicht im Stich gelassen hat. Die 25cm lange Oberrohrtasche kann mit Klettbändern oder Schrauben befestigt werden. Eine kleine Stabilisierungsplatte, sowie die schaumstoffgepolsterten Außenseiten sorgen für die nötige Stabilität. Und ja, sie ist tatsächlich ebenfalls wasserfest!
Erhältlich ist die Tasche zu einem sehr guten Preis von nur 55 Euro in vier unterschiedlichen Farben. Ein schönes und nützliches Detail ist der kleine Schaumstoffblock, der für Abstand zum Steuersatz sorgt und vor Abrieb schützt.
Snack Bag
Die Edel-Version eines jeden Snackbags. Witzig, dass diese kleinen Taschen meistens als Flaschenhalterung beworben werden. Denn die meisten Bikepacker verstauen darin schnell zugängliches Proviant oder andere kleine Gegenstände. Als Flaschenhalter (lt. Hersteller für Bidons mit einem Durchmesser von bis zu 75 mm) kann man das Teil aber natürlich auch verwenden.
Zwei Aspekte zeichnen den Specialized/Fjällräven Snack Bag aus: Zum einen der einhändig bedienbare Verschluss mit elastischem Zug, der während der Fahrt gar wunderbar funktioniert hat. Zum anderen die wirklich stabile Außenstruktur der Tasche, die ein Umknicken am Lenker verhindert. Wofür die allerdings die seitlich vernähten Molle-Schlaufen sein sollen, wissen wir nicht. Vielleicht habt ihr ja eine Antwort für uns. Eine tolle Sache ist die kleine Vordertasche aus Mesh-Gwebe, in die man Energieriegel oder Snack-Verpackungen verstauen kann.
Kritik gibt es von unserer Seite her in Bezug auf die Öffnung des Snackbags: Denn zwar ist es problemlos, die Flasche aus der Tasche zu ziehen, ein anschließendes zurückstecken bedarf jedoch ein wenig Fingerspitzengefühl, weil sich die Stoffrosette nach innen wölbt. Eine etwas frickelige Angelegenheit, für die wir teilweise anhalten mussten. Erhältlich ist das Teil in vier verschiedenen Farben für 45 Euro.
Handlebar Bag / Lenkertasche
Wer dachte, dass Trecking-Lenkertaschen ein Relikt aus den 90ern (ja, du bist alt!) sei, der wird mit dieser Lenkertasche eines besseren belehrt. Ganz nach der Weisheit, dass Totgeglaubte länger leben, haben Specialized und Fjällräven ein Remake der eckigen aber praktischen Lenkertaschen entwickelt. Vielleicht für Bikepacking nur bedingt zu gebrauchen, für die Stadt oder einen gemütlichen Picknick-/Familien-/Schwimmbad-Ausflug eine wirklich eine tolle Tasche.
Aufgrund des Fassungsvermögens von 10 Litern und der eckigen Form bietet das Teil leicht zugänglichen Stauraum. Die Tasche wird auf den am Lenker befestigten Rahmen geschoben und mit Riemen am Lenker festgemacht. Wermutstropfen: Der Metallrahmen ist nicht im Preis von 100 Euro inbegriffen, sondern muss separat gekauft werden.
Wenn man die Tasche nicht am Fahrrad lassen will, kann man diese abnehmen und mit dem abnehmbaren Schultergurt tragen. An der Oberseite und an den Seiten sind elastische Netztaschen für Gegenstände angebracht. Zwei Befestigungspunkte an der Vorderseite für Zeltstangen, Zubehör oder die Specialized/Fjällräven Snack Bag. Warum bei der Tasche allerdings der Deckel und die Nähte nicht versiegelt sind, hat uns sehr gewundert. Das Futter selbst ist wiederum wasserdicht. Dem Regenschauer während unseres Bikepacking-Trips hielt die Tasche aber stand und alles blieb trocken.
Satteltasche & Rahmen
Für uns neben den Rahmentaschen ein wirklich gutes Produkt. Die Satteltasche von von Specialized / Fjällräven besteht aus zwei Teilen: Dem sogenannten „Seatbag Harness“, einem Alu-Rahmen, der für maximale Stabilität sorgen soll, sowie dem dazugehörigen Drybag, der in den Rahmen geschoben wird. Zwei Sätze an Kompressionsgurten sichern den Packsack. Ebenso können am unteren Teil der Tasche größere Gegenstände angebracht werden.
Die wasserfesten Drybags gibt es mit 10 oder 16 Liter Fassungsvermögen. Man kann hier aber auch markenfremde Drybags verwenden. Dank seiner kompakten Größe (45 × 11 × 20 cm) ist der Seatbag mit den meisten Rahmen und Laufraddurchmessern kompatibel. Bei den Drybags ist allerdings das Kompressionsventil ziemlich bescheuert im oberen Bereich angebracht. Sobald man also etwas weniger im Drybag transportiert, ist es nur noch bedingt möglich, das Ventil zu verwenden, da es beim Einrollen des Rolltops durch den überschüssigen Stoff keine Funktion mehr hat. Warum man das Ventil nicht, wie bei allen anderen Packsäcken, weiter unten angebracht hat, ist uns schleierhaft. Auch auf redaktionelle Nachfrage, konnte man uns hier keine Antwort liefern. Wir sind uns sicher, dass hier aber nochmal nachgebessert wird. Sinn würde es machen, denn das Satteltaschen-Konzept hat uns außerordentlich gut gefallen.
Durch den steifen Rahmen wackelt nichts, auch dann nicht, wenn man die Tasche aufgrund der Bikepacking-Morgenmüdigkeit mal schlecht gepackt hat. Der Zugriff auf den Inhalt im Drybag funktioniert kinderleicht, da der Rahmen selbst am Bike bleibt. Die justierbaren Halterungen sind durchdacht angebracht und funktionieren sehr gut. Die sehr dezenten reflektierenden Details sind an den wirklich wichtigen Stellen angebracht. Hier hat man sich wirklich Gedanken gemacht. Eine tolle Satteltasche mit einem innovativen Konzept. Mehr davon!
Von Cool Caves, Cave Packs und Tote Packs
Kommen wir zu dem wohl außergewöhnlichsten Produkt der beiden Marken: dem sogenannten „Coolcave“. Beim ersten Anblick der beiden Plastikkübel konnte sich der Autor dieser Zeilen ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aber bei näherer Betrachtung fiel auf: das Ding ist genial. Der Seiten-Eimer aus Kunststoff hat ein Fassungsvermögen von 20l und kann beidseitig des Gepäckträgers mittels der üblichen Isofix-Halterungen montiert werden. Am Boden befindet sich ein Ablaufloch, das mit einem kleinen Gummistöpsel verschlossen wird.
Der eigentliche Clou sind allerdings die separat erhältlichen Cavepacks. Jeder kennt die kleinen 20l Fjällräven-Rucksäcke. Die Cavepacks sind die schlichtweg die modifizierte Version davon, die perfekt in die Coolcaves passen. So hat man stets einen Rucksack oder eine Tragetasche dabei. Ebenso verfügen diese über ein gepolstertes Laptopfach, sowie große und kleine Taschen für die Habseligkeiten.
Die günstigere Alternative sind die „Tote Packs“, die man auch wunderbar als Einkaufs- oder Strand-/Picknick-Tasche verwenden kann. Der Vorteil liegt darin, dass man nicht erst im Coolcave wühlen muss, sondern einfach nur die Tasche aus diesem herausnimmt. Sowohl die Cavepacks als auch die Totepacks sind wasserabweisend.