Erstmals in seiner Firmengeschichte kooperiert der schwedische Outdoor-Ausrüster Fjällräven mit der kalifornischen Edelrad-Marke Specialized. Neben durchdachter Radbekleidung soll es dabei auch Bikepackingtaschen und Trecking-Ausrüstung geben. Das Besondere aber soll ein neuer Ansatz sein: Robuste und durchdachte Draußen-Klamotten, die nebenbei nicht nur zuverlässig funktional, sondern auch so stylisch sein sollen, dass sie glatt als Alltagskleidung durchgehen könnten. Cleat-Chefredakteur Max Marquardt hat kurz vor dem offiziellen Launch mit Henrik Andersson gesprochen, seines Zeichens Global Creative Director von Fjällräven. Ein Interview über die Hintergründe dieser ungewöhnlichen Kooperation, Nachhaltigkeit in der Bikebranche und das Schaffen eines neuen Umweltbewusstseins.
Cleat: Henrik, vor diesem Interview hast du uns gesagt, dass du eigentlich gar kein wirklicher Radsportler bist…
Henrik: Also, natürlich fahre ich Rad seitdem ich ein Kind bin. In der Jugend bin ich auch ein bisschen Mountainbike gefahren, aber eigentlich war ich immer ziemlich von Boardsportarten angetan. Also Surfen, Skaten, Snowboarden und dergleichen. Das Rad nutzte ich eigentlich eher zum Pendeln in die Arbeit. Das fand ich immer ziemlich geil, aber ich so ein richtiger Radfreak war ich bisher eigentlich nicht…
Das hat sich jetzt geändert?
Ja, im Zuge der Kooperation habe ich mich natürlich wieder mehr mit dem Thema befasst – und in den zwei Jahren wurde es auch zu einer gewissen neuen Leidenschaft für mich. Das Problem ist nur, dass ich mich nun an freien Tagen nicht entscheiden kann, ob ich mich aufs Rad schwinge oder eine meiner anderen Lieblingssportarten nachgehe. (lacht)
Die Zusammenarbeit zwischen Fjällräven und Specialized ist eine nicht ganz so gewöhnliche Fusion. Wie ist es dazu gekommen?
Bei Fjällräven war es immer schon unser Ansinnen, die Menschen raus in die Natur zu bekommen. Einerseits aus dem gesundheitlichen Aspekt, physisch wie psychisch, auf der anderen Seite aber auch, weil nur so die Natur besser verstanden wird. Menschen, die ihre Freizeit in der Natur verbringen, gehen auch besser mit ihr um – weil sie sie erhalten wollen. Durch die Urbanisierung verlernen wir unseren Bezug zur Natur, dessen Teil wir ja eigentlich selbst sind. Man verbringt heute mehr Zeit damit, auf das Smartphone zu starren, anstelle sich Nachts unter freiem Himmel die Sterne anzusehen. Das Fahrrad ist ein Werkzeug, mit dem man emissionsfrei das urbane Umfeld verlassen kann, um sich dem eigenen Ursprung – der Natur – zu widmen.
Wo wir beim Reisen mit dem Rad wären…
Es fällt vielen Menschen schwer, sich von ihrem Auto zu trennen. Und die meisten fahren ja damit auch tatsächlich raus in die Natur, gehen wandern oder Bergsteigen. Mit der Partnerschaft zu Specialized können wir vielleicht ein Umdenken anstoßen: Pack deinen Kram aufs Rad und fahr raus in die Natur. Das ist gesünder, umweltfreundlicher und gratis dazu gibt es noch eine erhebliche Portion Training.
Als ich auf eurer Präsentation die Fjällräven X Specialized Kollektion gesehen habe, war das erste das mir den Kopf schoss, die Erinnerungen an meine ersten Fahrrad-Ausfahrten, die ich in den 80ern mit meinen Eltern und Großeltern hatte: Bunte Anoraks (in deren Taschen ich meist ein Knoppers versteckte), die Farben Gelb, Rot und Blau, langsames Vorankommen, Regenschauer, die Landschaft genießen. Cool, aber irgendwie auch ziemlich retro – und auf gar keinen Fall aero. War genau das euer Ziel?
Wer uns kennt weiß, dass Fjällräven keine Marke ist, die sich Modetrends unterordnet. Wir gehen seit jeher unseren eigenen Weg. Wir bleiben gewissen Farben treu, die uns definieren. Natürlich sind die Sachen nicht aero. Sollen sie auch gar nicht. Da gibt es Firmen und Marken, die uns in ihrem Know-How in Sachen wie Lycra total überlegen wären – zudem ist es auch nicht unsere Zielgruppe. Es geht um gute und zuverlässige Trekking-Ausrüstung, die dich auf deinem Ride nicht aufhalten und zugleich hochfunktionell sind, sowie für Komfort und Style sorgen…
Das klingt jetzt aber wahnsinnig werblich…
Lass es mich anders formulieren: Wir wollen Bekleidung schaffen, die du sowohl zum Bikepacken, als auch zum Pendeln, als auch für eine genüssliche Tagesausfahrt am Wochenende benutzen kannst. Der Genuss, das Erlebnis steht hier im Vordergrund. Wenn man so will, eine Hommage an die Entschleunigung. Und die Idee, nur noch ein Set für viele unterschiedliche Unternehmungen zu haben, anstelle von einer ganzen Garderobe an Ausrüstung. Du kannst damit wandern gehen, aber sie auch auf deiner Gravel-Ausfahrt anhaben. Du kannst darin eine kalte Nacht am Lagefeuer verbringen und zugleich darin ins Restaurant gehen. Absolute Multifunktionalität – auch mit Hinblick auf Stil. Genau das ist unsere Vision.
Das Thema Nachhaltigkeit ist seit über einem Jahrzehnt allgegenwärtig. Auf eurer Webseite habt ihr sogar ein Nachhaltigkeits-Manifest. Da drängt sich die Frage auf: Wo werden die Sachen genäht?
Hauptsächlich fertigen wir in Vietnam, hier haben wir sehr gute Partner an unserer Seite, die genau wissen, was wir wollen. Ebenso wird ein Teil unserer Sachen in Portugal gefertigt.
Der ökologische Fußabdruck der Bike-Branche ist enorm. Carbon ist ein nicht recyclebares Material, die Produktion von Fahrrädern ist alles andere als umweltfreundlich. Wie rechtfertigt ihr eine solche Kooperation, insbesondere mit Hinblick auf euer Manifest und eure Grundwerte?
Wir kommen aus unterschiedlichen Richtungen, das stimmt. Die Industrie ist in vielen Belangen der Zeit hinterher. Aber es gibt da mehrere Aspekte, die man beachten muss und wir sehen das aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Die Bike-Industrie ist in der Tat nicht gerade umweltfreundlich, aber das Endprodukt ist es definitiv. Wenn du dir ein qualitativ hochwertiges Rad kaufst, von dem du lange etwas hast und das anstelle des Autos verwendest, dann ist das eine gute Sache. Auf der anderen Seite möchten wir die Bike-Industrie mit unserem Handeln auch ein Stück weit inspirieren und zu mehr Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit anregen. Das sind kleine Schritte, das ist uns bewusst. Specialized ist hier ein sehr guter Partner, da sie Veränderungen sehr aufgeschlossen sind. Und genau um diese Veränderung geht es. Und um das Nutzen von Synergien. Es geht darum, gemeinsam etwas zu schaffen, von dem wir überzeugt sind und dadurch Veränderung anzustoßen. Wir werden durch die Zusammenarbeit mit Specialized nicht von unserem Manifest zurücktreten oder Kompromisse eingehen. Ich weiß, dass es bereits viele verschiedene Initiativen in der Bike-Branche gibt, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Der wichtigste Aspekt ist aber, dass man Produkte schafft, die eine lange Zeit halten – im besten Fall sogar ewig. Was nicht kaputt geht, muss auch nicht ausgetauscht werden.
Das würde wohl auf die Lebensdauer von E-Bike Akkus nicht zutreffen. Hier ist nicht nur die Produktion umweltschädlich, sondern auch die Entsorgung…
Das ist ein zweischneidiges Schwert, ja. Ich denke aber, dass die emissionsfreie und geräuschlose (!) Fortbewegung immer noch besser für die Umwelt ist als ein Verbrennungsmotor. Wir wollen nicht exklusiv sein. Unsere Produkte sollen aber dazu animieren, rauszugehen und sich intensiver mit der Natur auseinanderzusetzen. Wenn wir das schaffen, wird sich auch das Bewusstsein der Menschen dahingehend verändern, dass die Natur mehr wertgeschätzt wird. Es sind kleine Schritte, aber es ist unser Weg, eine bessere Zukunft für uns und unsere Umwelt zu schaffen.
Welche Bike-Produkte können wir bald von Fjällräven erwarten?
Es wird diverse Oberbekleidung geben, darunter auch eine Windjacke. Hinzu kommen diverse Taschen fürs Bikepacken und für Radreisen. Ich möchte jetzt noch nicht zu viel verraten. Wichtig ist aber zu sagen, dass Fjällräven keine jährlichen „Kollektionen“ auf den Markt bringt. Wir erweitern unsere Produktpallette um Radbekleidung, die es nicht nur lange geben wird, sondern von der man auch lange etwas hat.
Welches von den Produkten ist dein absolutes Lieblingsstück?
Ha, das ist natürlich eine fiese Frage, weil ich alle Sachen echt gut finde. Aber am besten gefällt mir persönlich der gelbe Anorak. Es ist im Endeffekt eine typisches Fjällräven-Jacke, die wir auf den Einsatzzweck des Radfahrens angepasst haben. Ich liebe den Fit und den Komfort aber auch die verschiedenen Stoffe, die hier verwendet wurden. Und es ist das Stück in der Kollektion, das wohl am besten die Fusion der beiden Marken auf den Punkt bringt: Oben herum typisch Fjällräven, ab dem unteren Brustbereich typisch Specialized-funktional.