Das Zillertal hat unter Rennradfahrern einen schweren Stand: Man liebt es, oder man hasst es. Dazwischen gibt es praktisch nichts. Ein Grund dafür könnten die vielen extrem steilen Anstiege der örtlichen Alpenstraßen sein. Doch trotz aller Schinderei: Ein Besuch in Tirols Skisport-Mekka lohnt sich auch im Sommer.
Eigentlich hätte die Reise nach Italien gehen sollen: Gutes Wetter, wunderschöne Anstiege und jeden Abend lecker Mangiare mit Apperolo. Doch weil der Winter lang und die Angst vor einer möglichen Quarantäne bei der Heimreise groß war, entschieden wir uns kurzerhand für das näher gelegene Zillertal, eine Region, die unter Radsportlern zwar nicht so bekannt, dafür aber berüchtigt für seine steilen Rampen ist. Sogar Ulle und Klödi sollen hier einst für ihre legendären Bergetappen trainiert haben (das erzählte uns zumindest der Koch unseres Hotels). Also rein in die Carbon-Stiefletten und raus auf Entdeckungstour: Hier kommen vier Touren, die jeder Zillertaler-Radsport-Touri mal gefahren sein sollte.
Zillertal Radweg-Runde / Zell am Ziller
Wer es am ersten Radtag erstmal ruhig angehen will, der sollte die knapp 70 Kilometer Strecke mit Start und Ziel in Mayrhofen fahren. Bei gerade mal 220 Höhenmeter auf der gesamten Route ist die Runde ideal dafür geeignet, die Beine zu lockern und sich mit der Umgebung vertraut zu machen. In Ried oder Kaltenbach kann man dann auf dem Rückweg noch einen spontanen Abstecher in westliche Richtung machen, um ein bisschen Höhenluft zu schnuppern. Zur Vorbereitung auf die kommenden Pässe raten wir aber dringend, an diesem Tag nicht mehr als 800 Höhenmeter zu fahren. Glaubt uns, ihr werdet es am zweiten Tag bereuen. Hier geht´s zur Tour auf Komoot.
Zillertaler Höhenstraße
Wenn du denkst, dass der Stelvio steil und der Grimselpass mörderisch ist, dann solltest du dir die Höhenstraße besser nicht antun. Denn „steil“ bekommt hier eine ganz neue Qualität. Wir haben die Komoot-Tour ein bisschen angepasst und starten in Ried. Hier geht es eigentlich gleich mit über 10 Prozent Steigung nach oben. Zeit zum Beine lockern wird es dann erstmal lange nicht geben. Bis zum Arbiskopf auf 2133 Metern hackt man sich mit meist unter zehn Stundenkilometern Kehre für Kehre nach oben. Weil die Straße relativ schmal und aufgrund des Gefälles auch nicht so ganz leicht zu fahren ist, kommen einem hier kaum Auto- und Motorradfahrer entgegen. Nur du, die Stille und der Schmerz in den Beinen. Herrlich. Nach dem harten Anstieg kann man sich auf der Kaltenbacher Skihütte eine Verschnaufpause gönnen und sich dort die Murmeltiere ansehen. Ein Besuch lohnt auf jeden Fall. Auch die Aussicht ist phänomenal. Weil wir die Komoot-Tour ein bisschen kurz fanden, haben wir uns noch spontan dazu entschieden, diese ein wenig zu erweitern. Möglichkeiten zur Variation gibt es vor Ort mehr als genug.
Weil die Kurven sehr eng und die Straßenverhältnisse vor allem im Frühsommer nicht die besten sind, ist die Abfahrt in Richtung Zell am Ziller nicht gerade eine Hochgeschwindigkeits-Sause. Maximal 60 Stundenkilometer, dann ist der Ofen aus. Alles andere wäre auf diesen Stücken schlichtweg zu riskant. Trotz dem schweren Anstieg: Die Zillertaler Höhenstraße sollte man unbedingt mal gefahren sein. Die atemberaubende Aussicht und die ruhigen, weil relativ unbefahrenen Pässe sind ein wahrer Genuss. Wir empfehlen einen Anstieg unter der Woche, dann trifft man kaum auf Verkehr und auch auf den Hütten ist es dann relativ ruhig. Hier geht´s zur Tour auf Komoot.
Gerlospass
Hach, der Gerlospass. Den muss man einfach kennen. Der Pass war bereits wiederholt Bestandteil der Österreichrundfahrt und wird – bei der Anfahrt von Zell am Ziller – auch als Bergwertung der Kategorie 1 geführt. Als wichtige Straßenverbindung zwischen dem Zillertal und dem Oberpinzgau in Salzburg ist er trotz dieses Umstands weniger stark frequentiert als zum Beispiel der Pass Thurn. Hier hat man gleich mehrere Möglichkeiten für einen Anstieg. Von Mayrhofen aus geht es relativ moderat bergauf. Kein Vergleich zum mörderischen Rampenmassaker der Zillertaler Höhenstraße, dafür befindet man sich hier aber auch auf einer Bundesstraße.
Die Route verläuft hauptsächlich durch das Gerlostal, das im oberen Teil ein schmales Hochtal bildet, während sich im unteren Teil der Gerlosbach stark eingefräst hat. Daher teilt sich der Anstieg in zwei Hälften: Die Hälfte des Höhenunterschieds überwindet man auf den ersten 8 Kilometer, die restliche Steigung verteilt sich auf die nächsten 20 Kilometer. Insgesamt eine mittelschwere Rennradtour Zillertal. Unweit des Staudamms hat man auch eine wunderbare Aussicht auf den Stausee und die umgebenden Bergmassive. Die Gemütlichen können hier an einer der Jausenstationen pausieren und dann denselben Weg (über das Wintersport-Retorten-Dorf Gerlos) wieder abfahren. Man kann den Gerlospass auch mit anderen Touren kombinieren und sich so eine über 156 Kilometer lange Rundtour zusammenklicken. Wer genug Ausdauer und Power in den Beinen hat: Go for it! Hier ist der Komoot-Link
Innerellbögen, Alte Römerstraße
Viele kennen die Alte Römerstraße bereits von ihren Alpenüberquerungen. Jeder, der schon mal von Innsbruck aus in Richtung Italien aufgebrochen ist, singt Lobeshymnen auf dieses Rennrad-Kleinod. Hier kann man an guten Tagen richtig Druck aufs Pedal bringen und dabei die herrliche Landschaftskulisse genießen. Bei circa 1220 zu bewältigen Höhenmetern ist die Tour auch eine entspannte Abwechslung zu den sonst eher knackigeren Passstraßen. Vorbei am Patscherkofel folgt eine abwechslungsreiche Strecke ab Matrei mit wenig Verkehr und geiler Aussicht. Außerdem bietet es sich an, die verschiedenen Seitentäler des Wipptals in die Tour zu integrieren. Die Abfahrt in Richtung Innsbruck erfolgt dann unterhalb der Europa-Brücke. Guter Teer und lange Kehren sorgen hier für schnelles und sicheres Abfahren. Ein Feierabendbier kann man sich dann in Innsbruck gönnen, bevor es im Anschluss wieder zurück nach Schwaz geht. Hier geht´s zur Komoot-Tour.
Unser Fazit:
Als Radsportregion ist das Zillertal nach wie vor unterschätzt, was allerdings nicht heißen soll, dass sich ein dortiger Besuch nicht lohnt. Wer nach harten Anstiegen, knackigen Pässen aber auch atemberaubender Aussicht und einer Alpenkulisse kitschiger als in jedem Heimatfilm sucht, ist hier gut aufgehoben. Ratsam ist es jedoch, sich im Vorfeld Gedanken über die zu fahrenden Routen zu machen. Denn die Kombinationsmöglichkeiten sind enorm und planloses Gegend erkunden wird mit brennenden Waden sofort bestraft. Die meisten Touren sind eher etwas für Erfahrene und starke Randonneure, die nicht nur den richtigen Druck aufs Pedal bringen, sondern sich auch in den Bergen leicht tun. Die Anstiege variieren, haben aber oft bis über 20 Prozent Steigung. Anfänger werden im Zillertal möglicherweise weniger auf ihre Kosten kommen, da die gemäßigteren Strecken begrenzt (und auch etwas langweilig) sind. Wer das Privileg hat in der Nähe zu leben, der sollte sich durchaus mal für ein Wochenende an den dortigen Bergen versuchen. Es gibt wirklich viel zu entdecken. Für Rennrad-Urlauber sind mindestens fünf Tage ratsam, da sich Muskeln und Lungen womöglich erst noch an die neue Belastung gewöhnen müssen. Daher unser Tipp: Langsam angehen lassen, die passende Trittfrequenz finden und die Aussicht genießen. Als Ausflugsziel empfehlen wir zudem die Käserei in Fügen und die Fleischerei in Ried. Hier gibt es noch richtigen Tiroler Käse und Speck, über deren Mitbringsel sich die Daheimgebliebenen garantiert freuen werden.